Über das erstaunlicherweise so stille Sterben der bayerischen Mittelschule habe ich schon öfters berichtet: Hier und hier gab es offizielle Zahlen und hier sind auf einer Karte geschlossene und bedrohte Standorte verzeichnet.
In diesem Beitrag nehme ich exemplarisch einen Bericht aus dem ONETZ auf, in dem über die Gemeinde Wernberg-Köblitz berichtet wird, die auf meiner Karte noch blau ist; diese Farbe markiert Mittelschulen mit so geringer Schülerzahl, dass mindestens eine Klasse nicht mehr zustande kommt.
Wie man deutlich erkennt, befindet sich die Gemeinde in einem Gebiet in der Oberpfalz, in welchem seit der Mittelschulreform 2010 einige Schulen komplett geschlossen wurden (rot) und auch andere unvollständig sind (blau). Weiß sind die Schulen mit weniger als 100 SchülerInnen.
In der Meldung von ONETZ taucht der Begriff “Schulverbund” auf, der den Nichtbayern erläutert werden muss: Wenn in einer kleinen Mittelschule so viele SchülerInnen fehlen, dass eine Klasse nicht gebildet werden kann, dann tauscht man einfach SchülerInnen mit den Nachbarstandorten in einem Schulverbund aus. So das Ideal. Der Blick auf die Karte zeigt allerdings, dass es in der Nachbarschaft nicht besser bestellt ist. Ein Bürgermeister einer fränkischen Gemeinde brachte das Problem so auf einen Nenner:
“Wenn ich einen Kranken zusammen mit zwei anderen Kranken in ein Bett lege, heißt das nicht, dass einer gesund wird.”
Hier ist der Bericht dazu:
In Wernberg-Köblitz beginnt der Kampf um den Schulstandort
Die Nachricht, dass es an der Mittelschule nach den Sommerferien keine fünfte Klasse geben soll, hat hohe Wellen geschlagen. Betroffene Eltern, Bürgermeister und Marktgemeinderäte möchten eine Petition an den Landtag auf den Weg bringen.
von Anton (Rufn. Toni) Wild
“In der Mittelschule Wernberg-Köblitz wird es im kommenden Jahr keine 5. Klasse geben, weil sich nur 12 Schüler angemeldet haben. 15 hätten es sein müssen. Im Namen der Elternschaft unserer Viertklässler protestiere ich gegen diese Praxis!” So begann in der NT-Ausgabe vom 11. Juni der Leserbrief von Jana Licha. Sie hatte sich auch an Schulamtsdirektor Georg Kick, Staatliches Schulamt Schandorf, und an Kultusminister Michael Piazolo gewandt. Beide hätten argumentieren, das dieses Problem im Schulverbund gelöst werden müsse. MdB Marianne Schieder habe gegenüber Jana Licha bereits angekündigt, eine Petition an den Landtag zu unterstützen.
Nun trafen sich Eltern, Schulleiterin Diana Neidhard, Bürgermeister Konrad Kiener und einige Markträte in der Schule, um die weitere Vorgehensweise zu erötern, um zu einer Lösung des Problems zu kommen. Aktuell stellt sich die Lage so dar, dass sich im Schulverbund “Mittelschule Nördliches Naabtal” die Hauptschulen Nabburg, Pfreimd, Schwarzenfeld, Wernberg-Köblitz und Schmidgaden mit ihren jeweiligen Sachaufwandsträgern zusammengeschlossen haben. Ziel des Kooperationsvertrags ist es, nach Möglichkeit die Eigenständigkeit der beteiligten Schulen zu erhalten.
Nun aber wird die – laut eines Schreibens des Kultusministeriums vom 11. Februar – erforderliche Schülerzahl von 15 Kindern zur Klassenbildung in Wernberg-Köblitz zum neuen Schuljahr 2019/2020 nicht erreicht. Somit wäre an der Mittelschule Wernberg-Köblitz keine Klasse mehr vorhanden und die Einrichtung würde als inaktiv geführt. Dabei fänden die jungen Leute vor Ort ein “voll ausgestattetes, saniertes Schulgebäude vor, das neben einem integrierten Hallenbad auch zwei Turnhallen und alle erforderlichen Fachräume besitzt”, beschrieb Bürgermeister Konrad Kiener. Auch Nachmittagsbetreuung sei im Haus, und auch während der Ferien möglich. “Sollte es keine Klasse geben, bedeutet es für unsere Schüler Bus- und Zugfahrten zu Schulen, zu denen sie gar nicht wollen”, führt er weiter aus.
Die Kooperationspartner im Schulverbund unterstützten den Wunsch, den Standort Wernberg-Köblitz aktiv weiterführen zu können, was aber nicht zu ihren Lasten gehen sollte. Auch laut Schulverbundsvorsitzendem Rektor Robert Häusler (Nabburg) könne die Situation nur mit der zusätzlichen Zuweisung von standortgebundenen Lehrerstunden (31 Wochenstunden) gelöst werden. Vergleichbare Sonderlösungen seien schon an anderen Schulen praktiziert worden. Schließlich waren sich die Teilnehmer der Gesprächsrunde einig, dass in diese Richtung eine Petition an den Landtag gehen sollte.
Nota bene
Dass das Problem auch für andere bayerische Regionen und sogar für ausgezeichnete Schulen gilt, zeigt diese Mitteilung der Grünen-Politikerin Kerstin Celina zur drohenden Schließung der Mittelschule im unterfränkischen Rimpar
Weil´s den nicht beabsichtigten Humor der bayerischen Staatsregierung so schön unterstreicht, sei darauf hingewiesen, dass diese Schulen in der offiziellen Diktion selbstverständlich nicht geschlossen, sondern “inaktiv gestellt” werden.
Was man gegen solche Schließungen machen kann? Schon 2011 erschien diese wissenschaftliche Prognose von Gerd Hüfner (BLLV). Er wies darin nach, dass aufgrund der Bevölkerungsentwicklung in vielen Regionen Bayern das differenzierte Schulsystem nicht aufrecht erhalten werden kann und stattdessen die Errichtung von Gemeinschaftsschulen helfen könnte.
Bisher in diesem Blog
Fail #31: Mittelschulen sterben weiter
Fail #15: Unaufhaltsames Mittelschulsterben in Bayern
Fail #12: Die Behauptungen eines Staatssekretärs
Fail #1: Das stille Sterben der Mittelschulen
6 comments On Fail #36: Mittelschule: geschlossen!
Ergänzung: Das Oberfränkische Amtsblatt 6/2019 verkündet die Auflösung der Mittelschule Gefrees. Hier haben sich die Schülerzahlen über die Jahre so entwickelt: 164 – 136 – 122 – 102 – 107 – 97 – 104 – 104 – 97 – 81 – 90 – 86 – 70 – 44 – 27 – 0.
https://bildungsklick.de/schule/detail/das-hauptschulsterben-ist-wohl-nicht-mehr-aufzuhalten
Pingback: Fail #37: Wirtschaftsschule ab Klasse 6 – Pädagokick ()
Und wieder eine weniger: Hohenau im Bayerischen Wald zwischen Freyung und Grafenau.
https://www.pnp.de/lokales/landkreis_freyung_grafenau/freyung/3403944_Aus-fuer-die-Mittelschule-Hohenau.html
Hier noch ein paar Informationen zu Hohenau aus der Passauer Neuen Presse:
“Das tut uns wirklich sehr weh”, gibt Hohenaus Bürgermeister Eduard Schmid unumwunden zu. Die Mittelschule sei identitätsstiftend für die Gemeinde gewesen, das Geschäfts- und Vereinsleben sowie die Unternehmen vor Ort hätten von der Schule profitiert. “Es wird etwas fehlen in der Gemeinde”, sagt Schmid.
Doch die Schließung der Mittelschule war unausweichlich. Es haben sich schlicht zu wenig Mittelschüler angemeldet. Aus der diesjährigen 4. Klasse wollten nur drei auf die Hohenauer Mittelschule. “Da fehlen dann natürlich die Argumente, um die Schule zu halten”, so Schmid. Bereits in den letzten Jahren habe man immer wieder kämpfen müssen, mit 13,14 Anmeldungen stand die Mittelschule öfters auf der Kippe. Im Schuljahr 2018/19 konnte man dann auch keine 5. Klasse mehr anbieten, auch da waren es schon zu wenig Anmeldungen. In Hohenau gab es zuletzt nur noch eine 6. sowie 9. Klasse.
Nun hat es auch Happurg getroffen, eine Gemeinde in der Oberpfalz, nicht weit östlich von der A9. Nachdem die benachbarten Mittelschulen in Pommelsbrunn, Illschwang und Engelthal schon länger “inaktiv” sind, zeigt sich in der Region immer deutlicher, was schon seit vielen Jahren prognostiziert wurde: dass das so genannte “differenzierte” Schulsystem in der Fläche nicht zu halten ist. Hier der Bericht aus dem Portal nordbayern.de:
https://www.nordbayern.de/region/die-happurger-mittelschule-schliesst-zum-letzten-mal-ihre-pforten-1.9175183
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