Faktencheck #61: Was ist los in Finnland?

Finnland, das PISA-Sieger- und Musterland, hat in den letzten Jahren schlechtere Werte erzielt. Wie sind die neuen PISA-Leistungen, und welche Ursachen könnten hinter dieser Dynamik stecken?

Entwicklung der PISA-Ergebnisse

Die OECD hat eine Seite eingerichtet, die es erlaubt, jeweils zwei Länder miteinander zu vergleichen. Ich habe mal die Ergebnisse Deutschlands dazu gestellt.

Finnland-Deutschland PISA Lesen
http://www.compareyourcountry.org/pisa/country/fin?lg=de
Finnland-Deutschland PISA Mathe
http://www.compareyourcountry.org/pisa/country/fin?lg=de
Finnland-Deutschland PISA Nawi
http://www.compareyourcountry.org/pisa/country/fin?lg=de

Insgesamt ist Finnland immer noch besser als Deutschland, aber die nachlassenden Ergebnisse in den PISA-Tests sind für Finnland deutlich zu erkennen.

Schauen wir uns noch die Anteile der jeweils leistungsstarken Schüler:innen an:

Finnland-D PISA leistungsstarke Leser
http://www.compareyourcountry.org/pisa/country/fin?lg=de
Finnland-D PISA leistungsstarke Mathematiker
http://www.compareyourcountry.org/pisa/country/fin?lg=de
Finnland-D PISA leistungsstarke Naturwissenschaftler

Während die Leseleistungen der finnischen Schüler:innen, die beim ersten Durchgang im Jahr 2000 zu den Weltbesten gehörten, ungefähr gleich geblieben sind, gab es große Leistungsverluste in den Naturwissenschaften und vor allem in Mathematik.

Erklärung durch Pasi Sahlberg

Pasi Sahlberg wurde in diesem Beitrag eingeführt. Auf seinem Blog hat er ein Interview veröffentlicht, in welchem er folgende Antworten gab (meine Übersetzung, basierend auf DeepL):

Die Ergebnisse Finnlands sind bei den PISA-Tests 2015 etwas abgerutscht. Warum?

Das Problem liegt vor allem bei finnischen Jungen, die weniger lesen

Es ist eine Tatsache, dass Jugendliche in Finnland (genau wie in den meisten anderen westlichen Ländern) in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften in der Schule schlechter abschneiden als vor zehn Jahren. Das Problem liegt vor allem bei finnischen Jungen, die weniger lesen, schlechter essen, weniger schlafen und viel mehr Zeit (allein) mit digitalen Bildschirmen verbringen. Infolgedessen schneiden die finnischen Mädchen in allen gemessenen Bereichen bei PISA besser ab als die Jungen. Als das Absinken 2009 von einem ziemlich hohen Punkt aus begann, erscheint es auch dramatischer, als wenn es irgendwo tiefer begonnen hätte. Mit anderen Worten, die Ergebnisse Finnlands sind abgerutscht, weil die Jungen Zeit mit etwas anderem als der Schule verbringen und sich für etwas anderes interessieren.

Ein weiterer Grund mag darin liegen, dass die meisten der 34 OECD-Mitgliedsländer (wie Australien) zwar ihre Bildungspolitik angepasst und Schulreformen mit Blick auf höhere Rankings bei PISA konzipiert haben, Finnland jedoch das Gegenteil getan hat. Die Prioritäten in den finnischen Schulen haben sich zunehmend auf Chancengleichheit, Wohlbefinden, Entwicklung des ganzen Kindes, Kunst, Musik und Spiel konzentriert. Wenn sich so viele andere Länder dazu bewegt haben, bewusst zu versuchen, die PISA-Ergebnisse zu verbessern, und Finnland sich weiter davon entfernt hat, ist es offensichtlich, dass die Ergebnisse nicht mehr so gut sein werden wie früher.

Mehr Schüler ohne individuelle Hilfe in den Klassenzimmern

Darüber hinaus haben deutlich schrumpfende Bildungsbudgets viele Schulbezirke und Schulen dazu veranlasst, Unterstützungsfunktionen für Kinder zu kürzen, so dass mehr Schüler ohne individuelle Hilfe in den Klassenzimmern bleiben. Außerdem muss man immer bedenken, dass die Erklärung von Höhen und Tiefen in internationalen Rankings eine riskante Angelegenheit ist. Beim PISA-Test 2015 benutzten die Schülerinnen und Schüler zum ersten Mal Computer, um die Testfragen zu beantworten. Es scheint mir so, dass dieser Wechsel vom Papier-und-Bleistift-Test zum digitalen Test Vergleiche zwischen 2015 und früheren PISA-Zyklen unsicher macht.


Im zweiten Punkt verweist Sahlberg auf einen interessanten Effekt: Schlechter abschneiden heißt nicht unbedingt, auch schlechter geworden zu sein . Vielleicht hängt das Ergebnis tatsächlich mit der Teststellung zusammen oder mit einer schlechteren Passung zwischen den Bildungskonzepten und -zielen von Finnland und der OECD. Das soll zu einem späteren Zeitpunkt noch mal genauer unter die Lupe genommen werden.

Ich will mit einer Mahnung schließen, die auch Sahlberg vor Jahren schon formuliert hat: Man kann nicht in eine erfolgreiche Bildungsnation reisen, dort die Methoden inspizieren und sie dann ins eigene Land übertragen. Dazu ist der jeweilige kulturelle und geschichtliche Kontext viel zu wirksam.

1 comments On Faktencheck #61: Was ist los in Finnland?

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Site Footer

Sliding Sidebar

Pro-Truth-Pledge


I signed the Pro-Truth Pledge:
please hold me accountable.

Blog per E-Mail folgen

Gib deine E-Mail-Adresse ein, um diesem Blog zu folgen und per E-Mail Benachrichtigungen über neue Beiträge zu erhalten.

Entdecke mehr von Pädagokick

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen