Wer wie wir Bayern in einem gegliederten Schulsystem groß geworden ist und noch nicht über den eigenen Horizont hinausgespäht hat, könnte meinen, unsere Schularten wären der Normalfall. Das ist ein Irrtum, den das Bündnis Gemeinschaftsschule in Bayern in dieser Pressemeldung korrigiert.

Feucht/München, den 10. Juli 2023
Weltstandard Gemeinschaftsschule
Die Qualität des längeren gemeinsamen Lernens ist wissenschaftlich belegbar.
Das längere gemeinsame Lernen von Jahrgangsstufe 1 bis 9 oder 10 hat sich bewährt. Nicht nur das, sondern es ist weltweit das Standardmodell – auch unter den PISA-Siegerländern. Und völlig zurecht hat die Schulart, die ihre Kinder nicht in der 4. Klasse einem fragwürdigen Ausleseprozess unterwirft, auch in Deutschland immer stärkeren Zulauf. So sind die Schülerzahlen an Schulen mit mehreren Bildungsgängen (Hauptschule + Realschule oder Hauptschule + Realschule + Gymnasium) in Deutschland zwischen 2011 und 2022 um 670 000 Kinder und Jugendliche angestiegen, also um 70 Prozent.
Inzwischen hat jedes Bundesland eine Schulart des längeren gemeinsamen Lernens – mit Ausnahme Bayerns. Diese Ausnahme kann sich nur auf Ideologie gründen, denn die wissenschaftliche Begleitforschung attestiert neu etablierten Gemeinschaftsschulen beispielsweise eine „beeindruckende Innovationsdynamik“ und „anspruchsvolle Individualisierungskonzepte“ (Baden-Württemberg), „überdurchschnittlich positive Ergebnisse bei den Prozessqualitäten“ (Sachsen) und „moderat höhere Lernstände, in Englisch sogar einen deutlich höheren mittleren Lernstand“ als die Vergleichsschulen (Hamburg). Kurz gesagt: Die Qualität des längeren gemeinsamen Lernens ist wissenschaftlich belegbar.
In jüngster Zeit wurden den Gemeinschaftsschulen Probleme des deutschen Schulsystems angedichtet, deren Ursache –seriös betrachtet – in ganz anderen Bereichen zu sehen ist. Dass so viele Schülerinnen und Schüler die Hauptschule (in Bayern Mittelschule) ohne einen Schulabschluss verlassen, hängt vor allem damit zusammen, dass die Hälfte davon Förderschulen besucht hat. Der renommierte Bildungsforscher Prof. Dr. Klaus Klemm zieht daraus eine Konsequenz, die von bestimmten Kreisen gar nicht gern gehört wird: „Hier gilt es den Ausbau des gemeinsamen Unterrichts in einem inklusiven Schulsystem weiter voranzutreiben.“ Genau das ist es, was auch das Bündnis Gemeinschaftsschule Bayern mit der Forderung anstrebt, diese Schulart als zusätzliche Möglichkeit im Schulgesetz zu eröffnen.
Im Hinblick auf die Ängste mancher Realschullehrkräfte sei noch aus einem Aufruf zitiert, den Leiterinnen und Leiter von ehemaligen Realschulen formuliert haben: „Wir gestalten unsere Schulen so, dass sich die anerkannten Vorzüge der Realschule mit den Möglichkeiten der Gemeinschaftsschule verbinden und dadurch verstärken.“
Wenn die anderen es können, warum nicht auch wir in Bayern?
Quellen
Bastian, J., Brümmer, F., Herrmann, J., Killus, D., Ivanov, S., Nikolova, R. & Vieluf, U. (2016). Abschlussbericht: Wissenschaftliche Begleitung der Pilotphase Gemeinschaftsschule (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, Hrsg.), Berlin. https://www.berlin.de/sen/bildung/schule/bildungswege/gemeinschaftsschule/
Forschungsgruppe Wissenschaftliche Begleitforschung Gemeinschaftsschulen Baden-Württemberg. (2016). Abschlussbericht (Kurzfassung) (Eberhard Karls Universität, Hrsg.), Tübingen. https://anmelden.kultus-bw.de/site/pbs-bw-new/get/documents/KULTUS.Dachmandant/KULTUS/KM-Homepage/Pressemitteilungen/Pressemitteilungen%202016/WissGem%20Kurzbericht%20Januar%202016.pdf
Schmechtig, N. & Melzer, W. (2017). Wissenschaftliche Begleitung der Schulversuche „Schule mit besonderem pädagogischen Profil/Gemeinschaftsschule“ Sachsen. Abschlussbericht (Technische Universität Dresden, Fakultät Erziehungswissenschaften, Forschungsgruppe Schulevaluation, Hrsg.), Dresden. https://tu-dresden.de/gsw/ew/iew/spsf/ressourcen/dateien/forschung/wissenschftl.-Begleitung/Abschlussbericht_Wissenschaftliche-Begleitung-SV-Gemeinschaftsschule_final.pdf?lang=de
Klaus Klemm https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/jugendliche-ohne-hauptschulabschluss-1
Ehemalige Realschul-Leiter:innen: https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/Remote/km/aufruf.pdf
Diagramme (Auswahl)
Diagramm 1 zeigt einen Zusammenhang von PISA-Rangplatz und erstem Aufteilungsalter der 17 Erstplatzierten im Durchgang zum problemlösenden Denken. Natürlich kann man daraus keine Verursachung schließen. Es genügt die Einsicht, dass ein längeres gemeinsames Lernen kein Nachteil bei Leistungsvergleichen sein muss.
Diagramm 2 zeigt die Entwicklung der Schülerzahlen zwischen den Schuljahren 2010/11 und 2021/22 nach destatis.
Tabelle 1: Hier noch die tabellarischen Werte dazu, entnommen destatis:
Tabelle 2: Verteilung der Schularten in Deutschland. Aufgrund der häufig wechselnden Bezeichnungen kann es sein, dass der Name einer Schulart im Einzelfall inzwischen geändert wurde.
Einladung zur Podiumsdiskussion: Bayern braucht die Gemeinschaftsschule!

am Montag, 24. Juli 2023 um 19:00 Uhr im Kulturzentrum Giesing Bahnhof (Giesinger Bahnhofplatz 1, München) Um möglichst vielen Menschen in Bayern zu ermöglichen, dieser Diskussion zu folgen, wird die Veranstaltung auch online übertragen. –> Zur Anmeldung
Moderation: Klaus Wenzel, Ehrenpräsident des BLLV
Für Rückfragen:
Dr. Gerald Klenk (Lernwirkstatt Inklusion e.V.), 0176 63195547 und
Christine Lindner (Eine Schule für Alle in Bayern e.V.), 0173 7348469
info@buendnis-gemeinschaftsschule-bayern.de
Weitere Informationen zum Bündnis Gemeinschaftsschule Bayern findet man auf der Website: https://buendnis-gemeinschaftsschule-bayern.de/
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