… als die Bayerische Staatsregierung durch die offene Tür der Gemeinschaftsschule. Ungeachtet der Tatsache, dass das längere gemeinsame Lernen der Weltstandard in Sachen Schule (Link) ist, halten in Bayern die CSU und die Freien Wähler an der durch nichts zu rechtfertigenden Selektion der Viertklässler fest. Das Bündnis Gemeinschaftsschule in Bayern (Link) berichtet in einer Pressemeldung von seiner Podiumsveranstaltung.

Pressemitteilung
Feucht / München, den 31. Juli 2023
Kamel, Nadelöhr und die Gemeinschaftsschule in Bayern
Im gut besuchten Kulturzentrum Giesinger Bahnhof fand am 24. Juli die Podiumsdiskussion “Bayern braucht die Gemeinschaftsschule” statt. Ziel der Veranstaltung war, das Für und Wider der Gemeinschaftsschule als zusätzliche Schulart in Bayern von allen Seiten zu beleuchten. Das Podium war daher mit Vertretern der Schulpraxis (Simone Fleischmann für das Forum Bildungspolitik und Florian Kohl für die GEW Bayern), der Forschung (Prof. Krassimir Stojanov, Uni Eichstätt, sowie Prof. em. Hans Wocken, Sonderpädagoge), der Politik (Christine Müller, CSU und Gabriele Triebel, Bündnis90/Die Grünen) sowie der Eltern- und Schülerschaft (Henrike Paede, Bayerischer Elternverband, und Tim Wiegelmann, Schüler und “Bildungsrebell”) besetzt.

Auch die Regierungsparteien und das Kultusministerium waren eingeladen worden, hatten aber niemanden entsandt, der wirkliche Verantwortung für die Bildung in Bayern trägt und der ihre beharrliche Ablehnung der Gemeinschaftsschule hätte verteidigen können. Immerhin konnte in letzter Minute der Stuhl der CSU besetzt werden, der Platz der Freien Wähler blieb leer.
Die Podiumsgäste begründeten aus ihrer jeweiligen Position, warum Bayern dringend die Gemeinschaftsschule brauche.
Nachweisliche Defizite bei Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe, bei nachhaltigem und selbstbestimmtem Lernen sowie bei der Demokratie standen im Fokus, ferner Notendruck und Auslese, die das Fortkommen lernwilliger Schüler ausbremsten. Auch das online zugeschaltete Publikum diskutierte. Am häufigsten wurde festgestellt, dass der “bayerischen Weg der Inklusion” nicht der UN-Behindertenrechtskonvention entspreche.
Weil Inklusion an Regelschulen nur sehr begrenzt möglich sei, würden Förderschulen als Alternative nachgefragt. Das Wahlrecht der Eltern für ihre Kinder ende an den starren Grenzen der Schularten. Auch Lehrkräfte, die inklusiv arbeiten möchten, stießen an die Systemgrenzen. All dies erfordere eine Transformation und einen tiefgreifenden Kulturwandel im Bildungssystem. Auf die Frage, ob die Gemeinschaftsschule dafür die Lösung sei, wurde festgestellt, dass sie zumindest die geeignetsten Rahmenbedingungen für eine gerechte, demokratische und inklusive Bildung biete.
All dies erfordere eine Transformation und einen tiefgreifenden Kulturwandel im Bildungssystem
Sehr deutlich wurde auch die Problematik des Übertritts und der Noten angesprochen. Weder könnten persönliche Entwicklungsschritte noch alle Kompetenzen mit Noten beurteilt werden. Insgesamt wurde die Beurteilung durch Noten als durchgängiges Problem kritisiert, da mit ihnen auf Schüler:innen, Eltern und Lehrkräfte Druck erzeugt werde, der die Motivation bremse, Leid verursache und Bildungsgerechtigkeit und Anerkennung verhindere. Im Chat wurde auch die Frage der Lehrer:innenausbildung angesprochen. Inklusion, obwohl durchgängiges Grundanliegen, spiele hier nahezu keine Rolle.
Auch die Vertreterin der CSU lehnt das “Grundschulabitur” ab

Gewissermaßen allein auf weiter Flur war Christine Müller, Landtagskandidatin der CSU im Wahlkreis Schwabing-Milbertshofen. Sie versuchte erst gar nicht, auf der strikten Ablehnung der Gemeinschaftsschule durch ihre Partei zu beharren, sondern zeigte sich offen für all die aufgeführten Probleme. Offensichtlich aber hatte sie sich noch nicht intensiv mit Inklusion und Bildungsgerechtigkeit auseinandergesetzt. Das “Grundschulabitur” in seiner jetzigen Form lehnte auch sie ab und verließ insofern die strikte Linie ihrer Partei.
Die Absicht des Bündnisses Gemeinschaftsschule, die Regierungsparteien mit Fakten und Forschungsergebnissen zu konfrontieren und sie in eine gehaltvolle Diskussion zu verwickeln, konnte in diesem unvollständigen Setting natürlich nicht aufgehen. Allein schon das unausgesprochene Ausschlagen der Einladung bzw. das Entsenden einer Vertreterin aus der zweiten Reihe zeigte, dass die Verantwortlichen sich dem Diskurs nicht stellen wollen.
Die Podiumsgäste konnten dies auch mit den bekannten Standardantworten der Verantwortlichen belegen, die sich in Lobpreisungen wie “begabungsgerechtes differenziertes Schulsystem”, “individuell passgenaues Angebot” (gemeint sind die weiterführenden Schularten) oder Schlagworten wie “Einheitsschule” (für die Gemeinschaftsschule) erschöpfen. Damit würden vorgetragene Argumente kurzerhand erschlagen, Forschungsergebnisse abgetan und sachliche Diskussion im Keim erstickt. Dabei strebe das Bündnis gar keine Revolution an, sondern fordere die Zulassung der Gemeinschaftsschule nur als zusätzliche Schulart, wie Prof. Wocken ausführte und diesbezüglich für Toleranz warb.
Argumente kurzerhand erschlagen, Forschungsergebnisse abgetan und sachliche Diskussion im Keim erstickt
Versiert moderierte der ehemalige BLLV-Vorsitzende und Ehrenpräsident Klaus Wenzel die Diskussion und blickte auf die Entstehung der vierjährigen Grundschulzeit in Bayern zurück. Deren Dauer war übrigens mitnichten pädagogischen Überlegungen geschuldet, sondern lediglich einem Kompromiss zwischen zwei beliebigen Vorschlägen. Kleine Ursache, große Wirkung!

Das Fazit der Veranstalter: Ein Kamel kommt leichter durch ein Nadelöhr als die Gemeinschaftsschule nach Bayern!
Am 04. und 25. September arbeiten sie am Nadelöhr weiter, konkret: mit einem online-Vortrag des “Bildungsrebellen” Tim Wiegelmann, und einer politischen Gesprächsrunde online.
Für Rückfragen erreichen Sie uns wie folgt: Dr. Gerald Klenk (Lernwirkstatt Inklusion e.V.), 0176 63195547 und
Christine Lindner (Eine Schule für Alle in Bayern e.V.), 0173 7348469
info@buendnis-gemeinschaftsschule-bayern.de
Weitere Informationen zum Bündnis Gemeinschaftsschule Bayern findet man auf unserer Website: https://buendnis-gemeinschaftsschule-bayern.de/
Fotos zur Veranstaltung finden Sie unter https://buendnis-gemeinschaftsschule-bayern.de/veranstaltungen/veranstaltungsarchiv/podiumsdiskussion/