Die “Digitalisierungsoffensive” beschert uns einen Haufen neuer Rechner an den Schulen – theoretisch. Bisher sind sie an vielen Schulen noch nicht angekommen. Das größere Problem stellt sich aber erst danach.
Das Administrationsproblem
Wer bindet die neuen Computer ins Schulnetz ein? Wer hält sie am Laufen? Wer greift ein, wenn einer nicht funktioniert? Wer fährt die Updates? Wer richtet die Spamfilter ein? Wer kümmert sich um schwarze Bildschirme, ausfallende Netzgeräte und arbeitsunwillige Netzdrucker?
Bisher sind an unserer Schule – circa 400 Schüler*innen an bisher etwa 70 Computerarbeitsplätzen zwei Kolleginnen mit genau 2 (zwei) Wochenstunden zuständig – plus ein EDV-Mitarbeiter in der Gemeinde, der nicht immer zeitnah erreichbar ist. Darüber hinaus leistet sich unsere Gemeinde – als höchste Administrationsebene – einen privaten Dienstleister, dessen Mitarbeiter uns mit hoher Kompetenz, aber auch zu einem entsprechenden Tarif unterstützen.
Schon als die ersten Ankündigungen des “Digitalpaktes” laut wurden, haben vorausschauende Kollegen in unserem Team darauf hingewiesen, dass es mit der Anschaffung der Geräte nicht getan ist. Die Gelder diese Paktes sind ausdrücklich nicht für die IT-Betreuung gedacht.
Die Diskussion im Landtag
Von daher ist der Antrag der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag durchaus sinnvoll:

Antrag
der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr, Margit Wild, Klaus Adelt SPD
Digitale Bildung IV – Co-Finanzierung der IT-Betreuung an allen Schulen
Der Landtag wolle beschließen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, im Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz den Art. 2 „Personalaufwand“ dahingehend zu präzisieren, dass die hälftige Bezuschussung des Personalaufwands bei technischen IT-Betreuerinnen und -betreuern durch den Freistaat gewährleistet wird.
Begründung:
Um den Einsatz digitaler Medien und die dazu gehörige Hardware reibungslos zu gewährleisten, brauchen die bayerischen Schulen dauerhaft zuständige Betreuer für ihre IT- Systeme, die den technischen Support leisten. Daher ist es sinnvoll, dass bayerische Schulen über IT-Systembetreuer verfügen, die Hard- und Software entsprechend unterhalten oder gegebenenfalls wiederbeschaffen. Es kann nicht sein, dass technische Probleme mit der zukünftigen und aktuellen digitalen Ausstattung die Schulen tage- und wochenlang lahmlegen. Hierfür muss eine dauerhafte und angepasste Finanzierung für Schulträger sichergestellt sein. Aufgabe der Lehrkräfte bleibt es weiterhin, die pädagogischen Konzepte, in die der Einsatz dieser Medien integriert ist, zu erstellen und für den eigenen Unterricht nutzbar zu machen.

Abgelehnt!
- Der Antrag wurde dem Ausschuss für Bildung und Kultus federführend zugewiesen. Der Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen hat den Antrag mitberaten.
- Der federführende Ausschuss hat den Antrag in seiner 24. Sitzung am Mai 2020 beraten und mit folgendem Stimmergebnis:
CSU: Ablehnung
B90/GRÜ: Zustimmung
FREIE WÄHLER: Ablehnung
AfD: Ablehnung
SPD: Zustimmung
FDP: Enthaltung
A b l e h n u n g empfohlen. - Der Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen hat den Antrag in seiner Sitzung am 24. Juni 2020 mitberaten und mit folgendem Stimmergebnis:
CSU: Ablehnung
B90/GRÜ: Zustimmung
FREIE WÄHLER: Ablehnung
AfD: Ablehnung
SPD: Zustimmung
FDP: Enthaltung
A b l e h n u n g empfohlen.
Begründung
In der Debatte über diesen und begleitende Anträge ergriff für die Fraktion der CSU Prof. Dr. Gerhard Waschler das Wort. Er sagte zu diesem speziellen Punkt:
“Zum Antrag auf Drucksache 18/5705 betreffend ‘Digitale Bildung IV – Co-Finanzierung der IT-Betreuung’: Das ist ein schönes, weites, gutes Feld. Auch hier haben wir im Bildungsausschuss darauf hingewiesen, was eigentlich alle wissen müssten, dass an staatlichen Schulen grundsätzlich der Staat den Personalaufwand für Lehr- und Verwaltungspersonal trägt und die zuständige kommunale Körperschaft den Sachaufwand. Unabhängig davon kann man feststellen, dass bereits im Rahmen des Masterplans Bayern Digital II zusätzliche Stellen für die staatlichen Betreuungs- und Beratungsangebote ausgebaut wurden. Zeitkontingente für die pädagogischen Systembetreuer wurden erhöht, zudem wurden zum Schuljahr 2019/20 171 “medienpädagogische und informationstechnische Berater digitale Bildung” an den jeweiligen Schulaufsichtsbehörden bestellt. Sie haben eine wichtige Scharnierfunktion zwischen den Schulen, den Sachaufwandsträgern und der Lehrerfortbildung. Überdies hat sich der Freistaat Bayern im Rahmen des von mir bereits mehrfach zitierten Schuldigitalisierungsgipfels am 23. Juli 2020 bereit erklärt, sich künftig dauerhaft an der IT-Administration zu beteiligen.”
Kommentar
Da Prof. Waschler ihn die ganze Zeit zitiert, lohnt es, einen Blick auf die genauen Formulierungen des so genannten “Digitalisierungsgipfels” vom 22.07.2020 zu werfen:
“IT-Infrastruktur kann nur dann ihren pädagogischen Nutzen entfalten, wenn sie zuverlässig und dauerhaft funktionsfähig verfügbar ist. Nach den Bestimmungen des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes einschließlich der amtlichen Begründungen fällt die Zuständigkeit für die Bereitstellung des Sachaufwands in den Aufgabenbereich der kommunalen und privaten Sachaufwandsträger – an diesem Grundsatz ändern auch der DigitalPakt und die Landesförderprogramme nichts.”
Klartext: Die IT-Administration zahlen die Schulträger. Punkt.

“Zum Sachaufwand gehören die Bereitstellung, Einrichtung, Ausstattung, Bewirtschaftung und Unterhaltung der Schulanlage in einem umfassenden Sinne. Damit sind die Sachaufwandsträger verantwortlich für die Einrichtung und Unterhaltung der IT-Infrastruktur.”
Klartext: Dito.
“Unbenommen der grundsätzlichen Zuständigkeitsbestimmung können auch die Lehrkräfte in der pädagogischen Systembetreuung eine koordinierende und beratende Funktion im Unterhalt der IT-Infrastruktur einnehmen, etwa bei der Lösung von Standardproblemen, der Problemannahme und der qualifizierten Fehlermeldung. Der eigentliche Tätigkeitsschwerpunkt der als Systembetreuer eingesetzten Lehrkräfte liegt jedoch weiterhin klar im pädagogischen und mediendidaktisch-methodischen Bereich und ist von einer technischen Systembetreuung ausdrücklich zu trennen. Die verfügbaren Zeitkontingente für die pädagogischen Systembetreuer wurden zuletzt über zusätzliche Stellen aus dem Masterplan BAYERN DIGITAL II spürbar angehoben, z. B. zum Schuljahr 2019/20 nochmals für die Systembetreuungen an Seminarschulen. Hinzu treten die neu bestellten Berater digitale Bildung an den jeweiligen Schulaufsichtsbehörden, die mit einer Fokussierung auf medienpädagogische und informationstechnische Fragestellungen eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Schule, Sachaufwandsträger und Lehrerfortbildung einnehmen und bei der Ausstattungsplanung beratend unterstützen.”
Klartext 1: Die Zeitkontingente der Lehrkräfte, die nebenbei die Systeme administrieren, sind spürbar angehoben worden? An unserer Schule von 2 auf 2 Wochenstunden! Selbst eine Verdoppelung von 2 auf 4 Wochenstunden wäre noch prekär! Und wir sind sicherlich kein Negativextrem, sondern Durchschnitt.
Klartext 2: Die neu bestellten “Berater digitale Bildung” am Schulamt: Selbst wenn es eine komplette Stelle mit 27 oder 28 Wochenstunden wäre, was es nicht ist, müssten sich 18 Grund- und 10 Mittelschulen solch einen Berater teilen – macht ziemlich genau 1 (eine) Stunde pro Woche pro Schule für die Administration.
Zusatz: Die Staatsregierung möchte die Schulträger dazu bewegen, dass sie ihre IT-Administrationen zusammenfassen, also zum Beispiel, dass sich mehrere Schulen einer Kommune einen privaten oder kommunalen Dienstleister teilen. Das ist eine richtige Idee, lässt aber immer noch eine Menge Arbeit vor Ort, die von den Lehrpersonen und Schulleitungen nebenbei geleistet werden muss.
Persönliches Fazit: Es bleibt bis auf Weiteres bei der administrativen Flickschusterei.

3 comments On Fail #46: Administrative Flickschusterei!
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Absolut guter Artikel. Hut ab. In jedem Unternehmen gibt es IT-Systembetreuer, nur an den Schulen sollen das “irgendwie irgendjemand” machen. Lachhaft! Jede Schule sollte sich an die regionalen Systemhäuser wenden können, die auch die Technik installieren sollten. ABER: Da bei der Beschaffung meist nur der Preis zählt, installiert dann beispielsweise eine Firma aus Leipzig oder wo auch immer die Geräte in einer Schule im Allgäu oder in Niederbayern. Und wurde dann nicht mehr gesehen oder berechnet Unsummen an Anfahrtszeiten. Das ist kurzsichtig gedacht – und wird bei der Vergabe oft nicht berücksichtigt.
Nach der Geräteinstallation wird die Schule allein gelassen. Das kann doch nicht sein! Es gibt im regionalen Umfeld der Schulen auch regionale Anbieter, die im Notfall schnell vor Ort sein können. ABER: Je nach Auftragssumme und Vergabeart müssen Angebote von mehreren Dienstleistern eingeholt werden bzw. die Ausschreibung sogar EU-weit für den Teilnahmewettbewerb zugänglich gemacht werden. Dass hierbei oftmals die lokalen Firmen trotz kurzer Anfahrtszeit und besserem Service-Angebot ins Hintertreffen geraten, ist dem bekannten Grundsatz geschuldet, dass der Preis das ausschlaggebende Kriterium für die Angebotsannahme darstellen muss. Traurig und nicht zielführend.
Danke für die ergänzenden Hinweise, denen ich voll und ganz zustimme.