Es ist wieder Übertrittszeit in bayerischen Landen. Opposition, Lehrer– und Elternverbände halten die Übertrittsphase für einen erzieherischen Wahn- und pädagogischen Unsinn. Trotzdem hält der Kultusminister daran fest, auch der neue.
Kopfschüttelnd nehmen wir zur Kenntnis, dass die Stellungnahme des Bayerischen Elternverbands eindeutig gegen das von vielen so genannte “Grundschulabitur” gerichtet ist, dass der Minister aber trotzdem von einer fast 80-prozentigen Zustimmung der Eltern zum Übertrittszeugnis berichten kann:
Die jüngste Erhebung aus dem Jahr 2017 zeigt: Knapp 80 Prozent der Eltern halten die Ausstellung eines Übertrittszeugnisses für alle Schülerinnen und Schüler für sinnvoll.
Die Kunst der Befragung
Es kommt eben darauf an, wie man fragt. Die Fragestellungen – das kann man sich hier herunterladen – beziehen sich auf zahlreiche Details des Übertrittsverfahrens, die natürlich in mancher Hinsicht positiv sind; wer würde sich beispielsweise gegen Informationsveranstaltungen für Eltern aussprechen, auf die sich allein neun von zwanzig Fragen an die Eltern beziehen?
Was nicht evaluiert wird, ist das Übertrittsverfahren als Ganzes, das eben von den oben genannten Akteuren abgelehnt wird, und das teilweise sehr heftig.
Evaluation selber nicht ernst nehmen
Es ist nicht nur so, dass man am besten nur die Aspekte abfragt, von denen man weiß, dass man Zustimmung ernten kann. Das nächste Kunststück besteht darin, die rückgemeldeten Schwächen einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen. Hier der Beleg:
Es werden ja auch immer Schulleitungen und Klassenlehrkräfte (Jhg 3 und 4) befragt. Fragen und Ergebnisse von 2012:
Halten wir mal fest, dass sich maximal die Hälfte der Befragten positiv zu den einzelnen Aspekten äußerten. Die Ausweisung von Lern- und Prüfungsphasen fand nur ein Fünftel gut, etwas mehr als ein Viertel konnte sich mit der Richtzahl für Probearbeiten einverstanden erklären und noch nicht mal ein Drittel wollte VERA-Ergebnisse in die Beratung mit einbeziehen.
Die Ergebnisse von 2017 zeigen, wie sich die Zustimmung und Ablehnung zu einzelnen Aspekten über fünf Jahre entwickelt haben:
- Die Informationsveranstaltungen in Jgst. 3 und die Ankündigung von Probearbeiten wurden von den Lehrkräften und Schulleitung zunehmend akzeptiert.
- Alle anderen Maßnahmen kamen über eine Akzeptanz von einem Viertel, bzw. einem Drittel der Lehrkräfte / Schulleitungen nicht hinaus.
Wenn eine Evaluation über fünf Jahre stabil geringe Zustimmungswerte in vier von sechs Bereichen ausweist, dann wäre das eigentlich Grund genug, die eigenen Handlungen und Entscheidungen entsprechend anzupassen. Dass dies nicht geschehen ist, kann zweierlei bedeuten:
- Die Meinung der Befragten ist dem Kultusministerium herzlich gleichgültig; man braucht die Evaluation ohnehin nur, um die erwünschten positiven Teilergebnisse in die Debatte einzubringen.
- Das eigene Denksystem ist so dicht gepackt, dass auch anders gerichtete Fakten nicht durchdringen.
Von daher sollte man sich im KM nicht wundern, wenn diese Evaluation von den Befragten als Witz gesehen wird. Evaluationen müssen Folgen haben, sonst verdienen sie diesen Namen nicht.
Für den kultusministeriellen Umgang mit der selbstinszenierten Evaluation erteile ich die Note “ungenügend”!
1 comments On Fail #24: Selbstkritik ungenügend!
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