Hattie ganz praktisch (Neues von Hattie #X)

Ergänzung: Gespräch zwischen Wolfgang Beywl und John Hattie


Wolfgang Beywl, Monika Wyss, John Hattie, Kathrin Pirani, Michael Mittag (2023). Lernen sichtbar machen. Das Praxisbuch. Schneider-Verlag Hohengehren


In vielerlei Hinsicht wirklich „praktisch“

Das Buch nimmt die Leser an die Hand und führt sie durch die rund 250 Seiten an die Stellen, die individuell interessieren. Dabei helfen unter anderem ein Glossar, zahlreiche Querhinweise, Zusammenfassungen an den Kapitelanfängen (als Advance Organizer), Tabellen und Diagramme.

Wer will, kann gleich zu den Praxisbeispielen ab Seite 60 bis 147 springen und anhand von alltäglich auftretenden Schwierigkeiten in der Schule („Knacknüssen“) überlegen, was dem eigenen Unterricht helfen könnte. Diese Knacknüsse sind Ausgangspunkte für Unterrichtsinterventionen, zum Beispiel:

Dazu gibt es ein dreiseitiges Planungsraster, das von den Verlagsseiten heruntergeladen werden kann.

So sieht der Weg durch das Buch aus:

Damit nicht genug. Weiter hinten wird in fünf Szenen („Begeisterung und Skepsis“) durchgespielt, wie sich aus alltäglichen Lehrergesprächen eine entsprechende Unterrichtsentwicklung entfalten könnte, auf die dann auch der Schulleiter aufspringt und dieses Verfahren in seiner Schule weiter zu bringen versucht.

Dass das keine idealisierende Produktpromotion ist, erkennt man an der Mitwirkung von über 1000 Personen an diesem Buch, die für die Wirksamkeit des beschriebenen Verfahrens stehen.

Hattie und die Unterrichtspraxis

Wer die theoretische Einbindung nachvollziehen will, wird ebenfalls nicht allein gelassen, denn das „Praxisbuch“ verbindet sachliche Tiefe der Unterrichtsforschung mit einfach nachvollziehbaren Anregungen für die Unterrrichtspraxis (bzw. leitet diese aus jener ab). Es macht dazu auf einer Doppelseite transparent, wie einzelne effektstarke Faktoren aus Hatties Studien in den Praxisbeispielen umgesetzt werden. Hier ein Ausschnitt auf Seite 58 (zur Vergrößerung anklicken):

Auf dieser Seite wird u.a. „Angst“ als wirksamer Faktor genannt. In The Sequel schreibt Hattie der Emotion anxiety eine Effektstärke von d = -0.40 zu, also eine in hohem Maße kontraproduktive Wirksamkeit, die es im Unterricht zu vermeiden oder sogar zu bekämpfen gilt!

Anmerkung für die interessierten Leser:innen: Hattie beschreibt in seinem Buch jeden einzelnen Effekt im Detail, im Kontext und mit Zitaten aus der zugrunde gelegten Literatur. Das liest sich in einzelnen Fällen sehr spannend, zum Beispiel bei der Frage nach dem Sitzenbleiben, der Inklusion oder den Erwartungen, die Lehrer:innen an ihre Zöglinge haben (oder nicht).

Eine stets aktuell gehaltene Liste der untersuchten Effekte finden Sie hier im Web: https://www.visiblelearningmetax.com/Influences

Wer oder was ist „Luuise“?

In The Sequel hat Hattie noch stärker als in Visible Learning betont, dass guter Unterricht nicht nur Feedback geben und nehmen, sondern grundsätzlich evaluativ sein muss. Das bedeutet, dass die Lehrkraft nach der Durchführung der Unterrichtseinheit unbedingt und am besten systematisch ein Auge darauf haben soll, was von den eigenen Intentionen bei den Schülerinnen und Schülern überhaupt und wie angekommen ist.

Diese evaluative Grundhaltung wird in dem von Beywl u.a. entwickelten Luuise-Verfahren umgesetzt. Die Grafik zeigt, wie die Unterrichts- und die Evaluationsschiene miteinander verbunden sind:

Dieses Schema illustriert auch das Akronym „Luuise“:

Lehrpersonen

unterrichten und

untersuchen

integriert,

sichtbar und

effektiv.

Der Geist des Buches

Das ganze Buch durchzieht ein freundliches Augenzwinkern. Es beginnt mit dem Vorwort von Diethelm Wahl, der gleich mal Mark Twain zitiert und damit die latente Veränderungsresistenz vieler Lehrkräfte aufs Korn nimmt:

Die einzige Person, die eine Veränderung liebt, ist ein Baby mit nassen Windeln.

Oder ein Sprichwort, mit dem er das ganze Projekt verpflichtet, nicht nur anzukündigen, sondern auch einzulösen:

Wer gackert, muss auch liefern.

Dazu tun die Cartoons von Michael Mittag das ihre. Hier ein Beispiel zur Klarheit der Lehrperson, die bei Hattie eine überraschend hohe Effektstärke von d = 0.85 erhält (im Vergleich: Fachkompetenz der Lehrkraft d = 0.18).

Die Autoren

Wie oben bereits erwähnt, haben etwa 1000 Personen, überwiegend Unterrichtende, zu diesem Buch beigetragen. Gut 100 von ihnen werden namentlich erwähnt, darunter die 44 Mitverfassenden der 36 Praxisbeispiele aus 25 Schulen. Das Redaktionsteam wird am Ende vorgestellt:

Es wäre lohnend, sich in die Arbeit jedes dieser Redaktionsmitglieder zu vertiefen, aber dazu bräuchte man wohl mehr als ein Leben… Empfehlen kann ich unbedingt den YouTube-Kanal von Michael Mittag, der die erfreuliche Gabe besitzt, verbreitete und/oder strittige Probleme in aller Kürze dazustellen.

Fazit

Für Lehrpersonen und Schulleitungen: Lesen!

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