Initiative #41: 11 Vorschläge gegen den Lehrermangel

Der Bayerische Schulleitungsverband kritisiert die Maßnahmen des Kultusministeriums zur Lehrerversorgung heftig. Aber er bleibt nicht dabei stehen, sondern ergreift die Initiative und macht 11 Vorschläge, die aus genauer Kenntnis der Praxis an Grundschulen resultieren und auf jeden Fall überlegenswert sind.

1.    Reduzierung des Religionsunterrichts

Der größte Posten wäre die Reduzierung des Religionsunterrichts in den 2.-4. Jahrgangsstufe der Grundschule auf ein vernünftiges Maß wie in anderen Bundesländern. Das allein bringt über 500 Lehrerstellen. Wir wundern uns, dass bisher niemand diesen Vorschlag aufgegriffen hat, vermuten aber, dass hier eine Furcht vor Reaktionen aus den Kirchen mitspielen könnte. Überlastet man lieber die höchstbelasteten Grundschul-Lehrkräfte, als dass man der Kirche ein vermeintliches Privileg wegnimmt?

Unser Vorschlag wird vom Großteil der Lehrkräfte, der Schulleitungen und der Eltern unterstützt, zwei Stunden Religion von 27 bis 29 Wochenstunden ist wirklich genug. Wir wissen, dass die Kirchen zuletzt oft Mühe hatten, überhaupt genügend geeignete und gut ausgebildete Religionslehrkräfte für diesen staatlich finanzierten Pflichtunterricht zur Verfügung zu stellen, gerade eben, weil der Lehrermarkt wie leergefegt ist und ganz viele Pädagogen nun lieber in den allgemeinen Schuldienst gekommen sind. Wir können uns gut vorstellen, dass manche Ordinariate sich auf eine Entspannung freuen würden. Überdies kommt zu der Einsparung natürlich auch eine entsprechende bei den Ethikstunden dazu, auch hier sind zwei Unterrichtsstunden pro Woche genug.

Diese Maßnahme ist in einem säkularisierten Start sachgerecht und würde dauerhaft eine erhebliche Entlastung der Situation auf dem Lehrermarkt für die nächsten Jahre bringen und außerdem eine erhebliche Summe an Kosten sparen.

2.    Streichen der zwei Englischstunden in der 3. Jahrgangsstufe oder Streichen je einer Englischstunde in der 3. und 4. Jahrgangsstufe

Auch bei diesem seit Jahrzehnten umstrittenen Thema ist es so, dass annähernd 200 Lehrerstellen eingespart werden können und die sowieso eher bescheidenen Fachziele mit je einer Wochenstunde und der 3. und 4. Jahrgangsstufe erreicht werden können. Die weiterführenden Schulen beginnen das Fach Englisch sowieso von Grund auf neu auf, weil die Schüler aus den unterschiedlichen Grundschulden ganz erheblich unterschiedliche Lernstände mitbringen. In Zeiten wie diesen scheint uns vom bsv diese Maßnahme als angebracht ebenso wie unser erster Vorschlag, auch wenn wir wissen, dass damit viele Grundschullehrkräfte nicht besonders glücklich sind. Aber immer noch viel besser als Zwangsmaßnahmen gegen überlastete Lehrkräfte!

3.    Reduzierung des Aufwandes für die externe Evaluation und für die Übertrittslosen

Hier scheint zwar schon Übereinkunft zu bestehen, aber auch bei diesen Maßnahmen sollte man diese Luxusvarianten der Schulversorgung in Zeiten des brutalen Lehrermangels möglichst gegen Null fahren. Es würde reichen, in den nächsten zwei Jahren die Evaluationsstrategie einfach neu zu denken und zu planen und zwar in der Weise, wie der bsv schon immer vorschlägt, dass die interne Emulation aufwandsarm mit Unterstützung der Schulaufsicht geschieht und externe Evaluationen nur im begründeten Ausnahmefall oder auf Wunsch folgen. In diesen Bereichen sind gewiss auch über 100 Lehrerstellen einzusparen.

4.    Aussetzung der Sabbatjahre

Natürlich haben wir als Bürger und Schulleiter auch Verständnis für diese Maßnahme, aber sie sollte für ein Jahr gelten und wenn sich die Situation wider Erwarten entspannen sollte, sollte man diese Möglichkeit wieder eröffnen, alleine schon um eine einseitige Benachteiligung gegenüber den Lehrkräften der anderen Schularten zu verhindern. Ob und wie viele Lehrkräfte dadurch für ein zusätzliches Jahr gewonnen werden, können wir nicht zuverlässig einschätzen, sollte aber dem Kultusministerium bekannt sein.

5.    Rücknahme der Zwangsverpflichtung zum späteren Ruhestand

Hier sehen wir ganz große Probleme auf die Schulen zukommen, wenn Lehrkräfte oft nach 40 Dienstjahren zu weiteren Schuljahren zwangsverpflichtet werden sollen ohne entsprechende Anreize dafür zu bekommen. Hier sollte es Einzelfallentscheidungen geben und in jedem Falle sollten alle Lehrkräfte, die noch ein oder zwei Jahre länger arbeiten müssen, mindestens drei zusätzliche Anrechnungsstunden erhalten und diesen enormen zusätzlichen Einsatz auch dadurch gewürdigt bekommen, dass sie dafür im Kreis der möglichen ruhestandswirksamen Beförderungen eingeschlossen bleiben. Auch hier können wir das Potenzial der gewonnenen Stellen nur grob einschätzen, vermuten aber mehrere hundert Stellen. Durch Anreize wird die Bereitschaft zum Mitwirken gesteigert, was sich positiv auf die Versorgungssituation auswirken wird.

6.    Erhöhung der wöchentlichen Vollzeit-Stundenverpflichtung nur mit Vergütung – kein Arbeitszeitkonto!

Der bsv ist mit großer Überzeugung gegen eine Neuauflage eines Arbeitszeitkontos insbesondere bei der Schulart, bei der bereits die höchste Unterrichtsverpflichtung besteht, während die anderen Schularten davon verschont sind. Diese Maßnahme ist umso widersinniger, als sie ja sowieso nur einen ganz geringen Teil der Lehrkräfte betreffen würde und bei allen Teilzeitlehrkräften dies nur als Lohnkürzung wirken würde, weil sie sowieso ein Teilzeitstundenmaß wählen, das deutlich darunter liegt.

Unser Gegenvorschlag ist so, dass er im Endeffekt sogar mehr Lehrerstellen bewirkt, als die geplante Zwangsmaßnahme. Wir schlagen vor, dass für eine freiwillige zusätzliche 29., 30. oder sogar in Einzelfällen 31. Stunde nicht der Stundensatz von einem „Achtundzwanzigstel“ bezahlt wird, sondern von einem „Fünfundzwandzigstel“. Da wäre ein gewisser Überstundenzuschlag enthalten, der auch in der Wirtschaft üblich ist und der in etwa dem Abstand entspricht, den Grundschullehrkräfte von A 12 zu A 13 bei der Stundenvergütung haben.

Dies ist verwaltungstechnisch und organisatorisch mit Sicherheit ein geringerer Aufwand, als wenn die Schulleitungen und Schulämter bei der derzeitigen großen Fluktuation wieder umständlich mit Arbeitszeitkonto hantieren müssten und die letzten wahrscheinlich erst in 13 Jahren oder später zurückgegeben würden. Wir haben ganz erhebliche Zweifel, dass solche Arbeitszeitkonten in den nächsten zehn Jahren überhaupt zurückgeführt werden können, denn der Lehrerbedarf wird angesichts der jetzigen Studierendenzahlen und der Zahlen der ausscheidenden Lehrkräfte mit Sicherheit noch länger weiterbestehen. Also warum in Zeiten, in denen es nicht an Geld, sondern an Lehrkräften fehlt, eine solche Arbeitszeithypothek für ungewisse Zukunftszeiten aufbauen?

Herr Kultusminister, zahlen Sie die Lehrkräfte jetzt mit einem Lohnplus aus, dann ist die Zufriedenheit deutlich höher und die Lehrkräfte können sich davon wirklich was kaufen, statt zu zweifeln, ob sie diese zusätzliche Arbeitszeit je zurückbekommen werden. Nehmen Sie die freiwilligen Angebote an, statt sich langwierig in Diskussionen um Überlastung zu zerreiben, die letztendlich dazu führen, dass die Arbeitsmotivation und die Bereitschaft für Vertretungsstunden und vier Seiten größten Lehrermangels zum Aushelfen an der Schule sinkt. Wir sind sehr sicher, dass viele Lehrkräfte Freiwilligkeit honorieren werden, aber bei Zwangsmaßnahmen in die innere Emigration gehen werden. Und wir Schulleiter*innen fürchten, dass wir es sind, die es vor Ort und an der eigenen Schule ausbaden müssen. Wo sind dann die Verantwortlichen, wenn es bei uns wirklich brennt und längst keine mobilen Reserven mehr zur Verfügung stehen?

Auch hier ist der Effekt umgerechnet auf Lehrer-Vollzeitstellen nur schwer zu schätzen, aber mit entsprechenden Anreizen sind wir auch hier mit Sicherheit in einem Bereich von hundert oder deutlich mehr Stellen.

7.    Zusatzstellen bei der Antragsteilzeit

Wir sind sicher, dass viele ehemalige Antragsteller in diesem Bereich mit guten Gründen in die familienbezogene Teilzeit wechseln wollen und entsprechende Anträge stellen werden, die meistens gut begründet und genehmigt werden. Das Potenzial ist hier also längst nicht so groß, wie das Kultusministerium zu glauben scheint. Was hilft ein zwangsweises Heraufsetzen auf 24 Wochenstunden, wenn dadurch die eine oder andere gut gestellte Lehrkraft, die es sich von ihrer Familie her leisten kann, vielleicht ganz zu Hause bleibt oder in ihrer Diensttätigkeit immer wieder durch Überlastung krank wird und an der Schule ausfällt? Aus unserer Sicht würde es reichen, wenn keine zusätzlichen Reduzierungen bei der Antragsteilzeit genehmigt werden, sondern nur Erhöhungen und diese auch entsprechend honoriert werden. Neben entsprechenden Anerkennungen wäre hier bestimmt hilfreich, wenn man den Schulleitungen die Gelegenheit gibt, solchen Lehrkräften bei der Stundenplangestaltung und der Wahl der Unterrichtsfächer und Arbeitsgemeinschaften Zusagen machen darf.

Alles in allem wird hier das Kultusministerium in diesem Bereich auch mit hunderten Stellengewinnen im Konsens mit den Betroffenen rechnen können.

8.    Streichen der Informatikstunde in der 5. und 7. Jahrgangsstufe der Mittelschule.

Dadurch ließen sich nach unserer Schätzung 100 – 150 Lehrerstellen einsparen, die insbesondere an sogenannten „Vollschulen“ mit den zwei Schularten Grund- und Mittelschulen zum Tragen kämen. Das Potenzial dafür sollte aber auch für freiwilligen und zusätzlichen Informatikunterricht in Neigungsgruppen der oberen Jahrgangsstufen eingesetzt werden, wie es ihn früher ja schon gab und diese auch „Quali“-Prüfungsfächer waren.

9.    Lukrative Angebote an pensionierte Lehrkräfte

Was Brandenburg und andere Länder (NRW) können, müsste eigentlich auch in Bayern möglich sein. Deswegen begrüßen wir die vom Kultusministerium bekundete Bereitschaft, Lehrkräfte, die bereits im Ruhestand, auf eigenen Wunsch hin wieder in der Schule einzusetzen und hatten dies auch schon in unseren letzten Newslettern vorgeschlagen. Dabei muss die Grenze unserer Meinung nach nicht bei einer Stundenzahl liegen, bei der ein Beamter rund ein Drittel seines Ruhegehalts hinzuverdient, ohne dass dies pensionsschädlich wirkt. Wir begrüßen ausdrücklich, dass auch in Bayern diese „Hinzuverdienstgrenze“ derzeit beamten- und besoldungsrechtlich überprüft wird.

Lehrkräfte, die mit großer Berufsfreude freiwillig in der Pensionszeit aus Idealismus und Hilfsbereitschaft, aber auch aus eigener Motivation noch länger Dienst machen und auch Klassen übernehmen, sind für jede Schule eine Verstärkung. Und die Zusage des Ministeriums, sie bei Stundenzahl, Einsatzort und weiteren Wünschen bestmöglich zu berücksichtigen, finden wir sehr angebracht und nützlich.

Vielleicht hilft ja auch der Austausch mit anderen Bundesländern, die damit bereits Erfahrungen sammeln. Wo ein Wille, da ein Weg und entsprechende Beamten- und Personalgesetze müssten einfach und flexibel angepasst werden.

10.    Leitungszeit und angemessene Bezahlung für die überlasteten

Mit Interesse haben wir im Zusammenhang mit den öffentlichen Diskussionen über die Sicherung des Unterrichts im nächsten Schuljahr vernommen, dass die Leitungszeit der Schulleitungen erhöht werden soll und auch mehr Zeit und Mittel für Verwaltungsangestellten-Tätigkeiten zur Verfügung gestellt werden soll. Hier würden uns natürlich die Details interessieren, wie viel Leitungszeit mehr bekommen die Schulleitungen und bekommen auch endlich die Konrektoren*innen eine eigene Leitungszeit? Und wo bleiben die Anrechnungsstunden für kooperative Führungsstrukturen im Bereich der Grund- und Mittelschulen, die andere Schularten seit vielen Jahren längst bekommen, zusätzlich zu Beförderungen und zusätzlich zu üppiger A15/16-Besoldung der Direktoren?

Nur gut geführte Schulen sind auf Dauer gute Schulen. Geben Sie uns die Zeit und Mittel dazu, selbst wenn es Lehrerstunden kostet, das zahlt sich zehnmal so stark aus!

11.    Reduzieren von Sportstunden in der 2., 3. und/oder 4. Jahrgangsstufe

In der ersten Jahrgangsstufe gibt es zwei Sportstunden. Es fällt uns nicht leicht, Vorschläge aus Lehrerkreisen zur Reduzierung des Sportunterrichts in den folgenden Jahrgangsstufe 2 bis 4 von drei auf zwei Wochenstunden befürwortend weiterzugeben, aber dies wäre immer noch besser als Zwangsmaßnahmen zur Erhöhung der Unterrichtspflichtzeit für Grundschullehrkräfte.

Wir wissen, dass Sport das Lieblingsfach der Grundschüler ist und wie wichtig in der heutigen Zeit der Sportunterricht dort ist. Kultusminister Michael Piazolo sollte an diesem Vorschlag erkennen, wie brisant und bedrohlich das Thema derzeit an den Schulen diskutiert wird. Er ist nicht gut beraten, vorgeschlagene Maßnahmen aus dem Kultusministerium per Zwang durchzusetzen.

Wenn es sein muss, könnten so noch einmal zwischen 150 und 400 Lehrerstellen gespart werden und dann müsste es eigentlich reichen.

Uns reicht es schon lange! Entweder die Sorgen oder Ängste an den Grund- Mittel- und Förderschulen werden nun ernst genommen und es bewegt sich wirklich etwas, oder wir sehen über die nächsten Jahre einen beständigen Niedergang der Qualität der Arbeit an unseren Schulen. Heißt es nicht immer, unsere Kinder sind die Zukunft, wir brauchen die bestmögliche Ausbildung? Warum nimmt man dann die Lehrkräfte, die sich voll und ganz für ihren Beruf einsetzen, nicht ernst und entscheidet über ihre Köpfe hinweg, wie viel sie zu arbeiten in der Lage sind?

 

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