Es gibt immer wieder Zeiten, in denen bestimmte Persönlichkeiten so hell in der Bildungspolitik aufscheinen, dass sie auch in der nichtwissenschaftlichen Welt zum Gesprächsthema werden. In meiner ganz subjektiven Sicht würde ich Maria Montessori, Janusz Korczak, Hartmut von Hentig, Gerald Hüther, Manfred Spitzer und aktuell auch Margret Rasfeld dazu zählen. Im letzten Jahrzehnt ist man praktisch nicht an John Hattie vorbeigekommen – der Mann, der “den Heiligen Gral des Lernens” (The Times) gefunden hat. Deshalb haben sich Markus Riefling, Frederick de Moll und Stefan Zenkel das Phänomen des Superstars mal vorgenommen.
Riefling, M., Moll, F. de & Zenkel, S. (2016). John Hattie Superstar – Ein Bildungsforscher rockt den öffentlichen Diskurs. Pädagogische Rundschau 70, 187–212.
- M. Riefling; Foto: researchsafari
Vor kurzem hatte ich das Vergnügen, Markus Riefling auf einer Tagung zu zehn Jahren Visible Learning, ausgerichtet von Professor Zierer (Augsburg), kennenzulernen. Seine Tagungsfolien verwende ich für diesen Beitrag.
Der Ansatz der Studie
Riefling und seine Mitautoren haben sich Artikel vorgenommen, die zwischen 1.1.2010 und 31.08.2014 in bekannten bundesweiten Zeitungen bzw. Zeitschriften erschienen sind: Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.), DER SPIEGEL/Spiegel Online, Süddeutsche Zeitung (SZ), die tageszeitung (taz), Frankfurter Rundschau (FR) und DIE ZEIT.
Diese haben sie in einer qualitativen Methodik mit interpretativen Verfahren auf Basis der Wissenssoziologischen Diskursanalyse (Keller, 2011) interpretiert.
Wie und was wurde berichtet?
In diesen Artikeln haben Riefling et al. anteilig folgende Themen vorgefunden:

Daraus haben sie folgende sechs Deutungsmuster extrahiert, welche die Faszination Hatties und seiner Studie erklären könnten:

Erläuterung der Deutungsmuster
Diese Deutungsmuster werden wie folgt erläutert:
Warum Hattie so anschlussfähig ist
Aus diesen sechs Deutungsmustern arbeiten Riefling und seine Mitautoren drei narrative Strukturen heraus, die erklären könnten, warum über Hattie in diesem ungewöhnlichen Ausmaß berichtet wird: weil er als imposante Figur eine große Erzählung zum Besten gibt, die für viele PädagogInnen eine gute Projektionsfläche bietet.
So kommen die Verfasser von den sechs Deutungsmustern auf die drei narrativen Strukturen:
Deutungsmuster und narrative Strukturen (Riefling et al. 2016, S. 202)
In seiner Präsentation auf der Tagung zog Matthias Riefling folgendes Zwischenfazit:
Zentrale Gründe für medialen Erfolg von Visible Learning:
- Stark komprimierte Ergebnisse mit klarer Botschaft
- Hohe normative Anschlussfähigkeit
- Persönlicher Einsatz Hatties und personalisierte Debatte
Anschlussfragen
Wie sehen eigentlich BildungsforscherInnen ihre Wirkung auf die Öffentlichkeit und/oder Politik? Wollen sie und sollen sie? Dies zitiert Riefling als ausgewählte Ergebnisse der Befragung einer repräsentativen Stichprobe unter BildungsforscherInnen:
Ich lese daraus eine im Durchschnitt an die 90-prozentige Bereitschaft, sich in die Gesellschaft und in bildungspolitische Debatten versachlichend einzubringen.
Können sie dabei etwas von John Hattie lernen?
Ja und Nein.
Ja, weil viele unserer BildungsforscherInnen über eine mindestens genauso große Expertise verfügen wie Hattie.
Jein, weil man sich dazu ein wirklich großes Projekt vornehmen muss.
Nein, weil dazu wohl nicht nur eine selbstbewusste Persönlichkeit und ein medienwirksames, sicheres Auftreten in der Öffentlichkeit gehören, sondern auch der Kairos – der nicht zu planende richtige Zeitpunkt.
Beiträge über oder von John Hattie
Gast #12: Hattie über das, was nicht funktioniert
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2 comments On People #14: “John Hattie Superstar”
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