Der Ausdruck “Fun” bleibt mir im Grunde im Halse stecken. John Olivers Sendung “Last Week Tonight” hat sich in dieselbe Richtung entwickelt, wie beispielsweise “Die Anstalt” (ZDF) oder “Quer” (BR): Was als Satire begann, ist inzwischen zu einer – manchmal ätzend – kritischen Verarbeitung und Kommentierung gesellschaftlicher Zustände geworden, die ohne ein gewisses Quantum an Galgenhumor nicht mehr zu ertragen sind. Diese Formate bieten oft tiefere und gezieltere Informationen, auf jeden Fall stärker zugespitzte Argumentationen, als die gewohnten “Qualitätsmedien”. Jetzt also diese Sendung über Standardtests in den USA.
Kontext
Ein Engländer in den USA wirkt an sich schon komisch auf die Einheimischen. Das hat mit seinem speziellen Akzent und seltsamen Gebaren zu tun. John Oliver hat darüber hinaus die Zappeligkeit und Eloquenz, manchmal auch Derbheit, eines Hofnarren, der sich Dinge herausnehmen darf, die anderen nicht zu Gebote stehen. Das macht ihn offensichtlich sehr beliebt. Der Beitrag, den ich ausgewählt habe, hatte bis heute über 14 Millionen Aufrufe. Die Menge allein ist natürlich kein Qualitätskriterium; aber diese 14 Mio Klicks geben Zeugnis nicht nur von einer Lust am Kichern, sondern wohl auch von einem gewissen Aufklärungsinteresse. Soviel zum Hintergrund.
Inhalt
Es ist nicht einfach, dem Geschnatter und den Gedankensprüngen von John Oliver zu folgen. Hier ein paar Hinweise auf das, was er hier thematisiert:
Er steigt ein mit der von George Bush in die Wege geleitete Initiative “No Child Left Behind”, mit der das Testen in der Absicht intensiviert wurde, die Effektivität des Unterrichtens zu überprüfen und die zu einer Verstärkung des “Teaching to the test” führte.
Barak Obamas “Race To The Top” zog die Linie weiter aus, indem es die Testergebnisse der Schüler mit Konsequenzen für Lehrer und Schulen verband. Über den Irrwitz, der zuweilen auf dem Weg über unkontrollierbare Algorithmen durch dieses Vorgehen erzeugt wurde, berichtete ich in diesem Beitrag über eine erst gefeierte, dann gefeuerte Lehrerin.
Weiterhin thematisiert er die Testindustrie und benennt beispielsweise Pearsons, ein Unternehmen, das nicht nur alle möglichen Tests entlang der Schullaufbahn produziert, sondern – man ahnt es längst – auch die passenden Vorbereitungshilfen. Natürlich findet sein Team auch ein haarsträubend absurdes Exempel von einer Testfrage über eine sprechende Ananas und einen Feldhasen. Das zu zeigen ist im Grunde verboten, denn als Nutzer unterzeichnet man ja eine Vereinbarung, nicht öffentlich über “geheime” Testinhalte zu reden:
… I will not use or discuss the content of secure test materials…”
Er schließt mit dem Hinweis darauf, dass die oben genannten Initiativen nicht dazu beigetragen haben, die achievement gap zu schließen, aber für einige Unternehmen eine reichlich fließende Einnahmequelle bildeten und unzählige Schüler gedemütigt und ähnlich viele LehrerInnen pädagogisch entmündigt haben. Konsequenz:
“Lets put the tests to the test!”
Literatur
Eine Rückschau auf 5 Jahre “Die Anstalt” mit Einordnungsversuchen in die deutsche Medienlandschaft und Hinweisen auf die Recherchetiefe zu den Beiträgen (ISBN 9783864892479):