Fail #37: Wirtschaftsschule ab Klasse 6

Wieso steht das in der Kategorie “Fail”? Es ist doch kein Problem, wenn die Wirtschaftsschulen in Bayern schon ab Klasse 6 beginnen und nicht erst ab Jahrgangsstufe 7. Oder? Doch. Außer mir regen sich auch noch zahlreiche Bürgermeister über diese Fehlsteuerung im System auf – und zwar welche von der CSU!

Warum ist das ein Problem?

Es ist ein Problem. Und zwar für kleinere Gemeinden, die eh schon um den Bestand ihrer Haupt- (Mittel-) Schulen bangen. Der schulische Verwertungsprozess (die Industrie-Analogie ist nicht zufällig) wird auf diese Weise nämlich weiter getrieben:

Erst werden nach der 4. Klasse die geeigneten und halbwegs geeigneten und gerade noch geeigneten und die manchmal auch wirklich nicht geeigneten Kinder abgegriffen und ins Gymnasium verfrachtet, wo im Laufe ihrer Schulzeit etwa 11 000 Schüler wieder herausfallen.

Gleichzeitig werden alle Schüler/innen, die halbwegs dazu in der Lage sind, in die Realschulen gebucht, wo dann ungefähr 5 600 nicht ans Ziel kommen.

Nun hat der bayerische Ministerrat in seiner Weisheit beschlossen, dass nach der 5. Klasse sofort der nächste Ausleseprozess stattfinden soll, nämlich der für die Wirtschaftsschulen.

Davon gibt es in Bayern 77 Stück mit 17 625 SchülerInnen (SchJ 2017/18; Bay. Landesamt für Statistik), davon 31 staatliche, 15 kommunale und der Rest private; davon wiederum 29 anerkannt und 2 genehmigt.

Das ist doch keine große Zahl. Aber bei der Schülerknappheit vieler Mittelschulen in bevölkerungsarmen Landkreisen kann der Abgang weniger Schüler/innen schon zur Schließung (“Inaktivstellung”) führen.

Was sagen die Bürgermeister?

Hier ein Zitat aus ONETZ (Region Oberpfalz; Absätze von mir)

 

Darin waren sich die CSU-Bürgermeister einig.

Wirtschaftsschulen hätten ihre Standorte in der Regel in größeren Städten, so dass diese Entwicklung die ländlichen Mittelschulen schwäche.

Über die Schließung der dortigen Mittelschule informierte Königsteins Bürgermeister Hans Koch. Am Ende sei nur die Entscheidung geblieben, wie die Kinder auf andere Mittelschulen verteilt werden.

“Ergebnis ist ein nur mehr halb genutztes und mit hohem Kostenaufwand saniertes Schulhaus”, sagte Koch.

Die Wirtschaft begrüßt den Ausbau der Wirtschaftsschulen.

Mit der Einführung der 6. Jahrgangsstufe dort kommt nach Ansicht der Bürgermeister aber ein noch früherer Orientierungsdruck auf die 5. Klassen der Hauptschulen zu.

“Bis zur Entscheidung eines Übertritts von der 6. Klasse der Hauptschule in die 7. Klasse der Mittelschule sind diese Schüler bereits fort, um es klar auszudrücken”, sagt Lindner: “Die Schüler fehlen uns bereits in der 6. Klasse der Hauptschule, in Folge in der Mittelschule und das bei kontinuierlich rückläufigen Schülerzahlen, insbesondere im Mittelschulbereich.”

Die Bürgermeister sehen darin eine erste Wettbewerbsverzerrung.

Hier ein Kartenausschnitt aus dieser Region, der zeigt, wie kritisch die Lage für viele Schulen ist (rot = geschlossen; blau = mindestens ein Jahrgang fehlt; weiß = weniger als 100 Schüler):

Oberpfalz

Bei dem Bürgermeistertreffen waren unter anderen der von Schmidmühlen (rot) und der von Königstein (blau) anwesend; allerdings musste Hans Koch, der Bürgermeister von Königstein, seine Kollegen darüber informieren, dass seine Mittelschule ab dem nächsten Schuljahr geschlossen wird. So haben sich die dortigen Schülerzahlen in den letzten Jahren entwickelt: 124 – 126 – 127 – 152 – 200 – 169 – 163 – 165 – 152 – 159 – 137 – 113 – 82 – 76 – 27 – 0.

Wie geht es weiter?

Es handelt sich bei diesen Protestierenden, wie gesagt, um CSU-Mitglieder. Ich bin gespannt, ob es ihnen gelingt, ihr Anliegen in den Landtag hinein zu tragen. Dort hat die CSU der Initiative von Kultusminister Piazolo entsprochen und der Einführung der Wirtschaftsschule ab Klasse 6 zugestimmt. Ob es dabei bleiben wird, ist die Frage.

1 comments On Fail #37: Wirtschaftsschule ab Klasse 6

  • Danke für diesen Beitrag. Und wieder einmal erleben wie damit einen Vorgang in der Bildungslandschaft, wo man sich fragt, ob hier noch mit Sinn und Sachverstand entschieden wird. Egal in welchem Bundesland, derer Beispiele, wie hier beschrieben, gibt es zahlreiche, in allen Bildungs- und Schulformen. Wäre wünschenswert, wenn endlich mal Personen mit Sachverstand ins Bildungsfach wechseln würden. Denn so fragt man sich in Deutschlan: Wem nützen diese ganzen sinnlosen Entscheidungen? Den Schülern zumeist nicht, sie behindern sie eigentlich zumeist in ihrer natürlichen Entwicklung. VG Nele

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