Den Bayerischen Elternverband (BEV) mit seinem 1. Vorsitzenden Martin Löwe habe ich hier bereits vorgestellt. Er hat eine Umfrage unter Eltern durchgeführt, in der sich eine große Mehrheit für einen späteren Übertrittszeitpunkt aussprach. Ein Realschulmensch konnte sich nicht verkneifen, das eindeutige Ergebnis kleinzureden, worauf ich eine Entgegnung verfasste.
Nun haben Mitglieder des BEV die Gesamtschule in Hollfeld besucht – ja, solch einen Schultyp gibt es tatsächlich in Bayern! Vier solcher Schulen haben sich seit den 70er Jahren hier noch halten können (und dürfen). Nach dem Besuch schreibt die stellvertretende Vorsitzende Henrike Paede diesen Brief an den bayerischen Kultusminister Piazolo:
Sehr geehrter Herr Kultusminister Professor Piazolo,
vor kurzem haben Vertreter des Bayerischen Elternverbands e. V. die Gesamtschule in Hollfeld besucht. Die Schulleiterin, Frau Scharfenberg, berichtete, auch Sie hätten einen Besuch dort geplant.
Unlängst haben wir Ihnen unter anderem den Link http://tinyurl.com/ycawtucu zu unserer Umfrage vom vergangenen Sommer übersandt. Sie hatte zum Ergebnis, dass rund 85 % der mehr als 1100 teilnehmenden Eltern eine längere gemeinsame Schulzeit wünschen und den jetzigen Übertrittszeitpunkt für zu früh befinden. Die meisten wünschen sich den Übertritt erst nach der sechsten Klasse. Genau dies wird in Hollfeld umgesetzt, denn die Klassen 5 und 6 bilden die Orientierungsstufe, wo Kinder zusammen unterrichtet werden. Erst ab der siebten Klasse werden die Kinder auf die internen Schulzweige Mittelschule, Realschule und Gymnasialzweig verteilt.
In Bayern fällt häufig reflexhaft das Wort Einheitsschule, sobald von einer längeren gemeinsamen Schulzeit die Rede ist. (Nebenbei: Schon mehrmals haben wir dazu von Ihrem Hause eine differenziertere Sprache gewünscht.) Nach unserer Beobachtung erfüllt Hollfeld die Anforderungen des differenzierten und begabungsgerechten bayerischen Schulsystems vollständig. Nicht nur, indem die Kinder in Englisch und Mathematik bereits in der Orientierungsstufe nach Leistungsvermögen getrennt unterrichtet werden (mit der Möglichkeit, das Kursniveau zu wechseln), auch die spätere Verteilung auf getrennte Schulzweige entspricht dem vollumfänglich.. Wir können dort weder eine Einheitsschule noch ein umwälzendes neues Schulkonzept erkennen.
Allerdings sehen wir dort ein überaus vorteilhaftes Vorgehen, bei dem Schüler die entscheidende Chance bekommen, aus der nicht selten unzutreffenden – weil verfrühten – Empfehlung der Grundschule heraus zu wachsen. Dies geschieht in Hollfeld nach “oben” wie auch nach “unten”. Im Übrigen profitieren sie auch nach der Orientierungsstufe von der Kooperation der Schulzweige und ihren Synergieeffekten.
In Hinblick auf unsere Umfrage wünschen wir uns daher nach Ihrem Besuch in Hollfeld eine Diskussion mit Ihnen und bitten Sie um ein Gespräch. Dabei ist auch unser Ziel, dass die Genehmigung des Schulversuchs einer Gemeinschaftsschule etwa der Kommune Denkendorf neu bewertet wird.
Mit freundlichen Grüßen
Henrike Paede
Bayerischer Elternverband e. V.
Stellvertretende Vorsitzende und Sachgebietsleiterin Förderschule/Inklusion/IntegrationRedaktion BEV aktuell
Richard-Wagner-Str. 11, 86391 Stadtbergen
Tel. 0821 437196http://www.bev.de
Der BEV ist gemeinnützig, überparteilich und überkonfessionell
2 comments On Initiative #27: Bayerischer Elternverband will Orientierungsstufe
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