Es wird ja immer mal wieder gesagt, das deutsche Schulsystem befinde sich auf dem Weg in die Zweigliedrigkeit. Das wird wohl selten so deutlich wie an dem folgenden Diagramm, das die Entwicklung der Schülerzahlen in Schleswig-Holstein darstellt.

Falls die Grafik zu unscharf ist, hier die Beschreibung:
Die gestrichelte Linie zeigt die Summe der (kooperativen und integrierten) Gesamtschüler; diese Schulart lief mit dem Schuljahr 2009/10 aus.
Die Regionalschulen haben bis 2013/14 auf das ehemalige Niveau der Gesamtschulen zugenommen und verlieren seitdem an Schülern.
Die Hauptschulen liefen mit dem SchJ 2013/14 aus, die Realschulen ein Jahr später.
Die Gymnasien haben anteilig erst dazugewonnen, dann etwas verloren.
Die Schülerzahlen an Gemeinschaftsschulen haben sich innerhalb von 10 Jahren von null auf über 90000 entwickelt und damit auch die an Gymnasien übertroffen. Die Gemeinschaftsschule ist in Schleswig-Holstein also neben dem Gymnasium zur bestimmenden Schulart der Sekundarstufe geworden.
Kritik?
Wenn mich mein Eindruck nicht täuscht, ist das ohne große ideologische Grabenkämpfe vonstatten gegangen. Es mutet eher pflichtschuldig an, wenn der Philologenverband mault:
Im Einzelnen wurde die hohe Zahl außerunterrichtlicher Aktionen (Projekte, Vorhabentage, Praktika u. ä.) bemängelt. Auch wenn diese fächerunabhängigen Veranstaltungen im Einzelfall pädagogisch sinnvoll sein könnten, führe die Häufigkeit der Vorhaben zu Unregelmäßigkeiten im alltäglichen Unterrichtsablauf, so dass selten eine reguläre Unterrichtswoche ohne die Abwesenheit einzelner Schülerinnen und Schüler gestaltet werden könne.
Die konkrete Förderung begabter und leistungsstarker Schüler werde zum Teil vernachlässigt, da an Gemeinschaftsschulen schwächerer Schülerinnen zum Teil eine besondere Betreuung in Kleingruppen (nicht selten mit doppelter Lehrerbesetzung) erhielten, während leistungsstärkere Schüler sich in sogenannten „Förderzeiten“ selbst überlassen blieben.
Offensichtlich ist das eine Frage der pädagogischen Grundhaltung. Wenn die Gemeinschaftssculen es schaffen, viele außerunterrichtlichen Aktionen durchzuführen, dann ist das ja Konzept. Aber im Verständnis mancher Leute ist “richtiger Unterricht” wohl nur das, was im Klassenzimmer stattfindet. Das Vorbild ist der universitäre Vorlesungsbetrieb.
Und dass wir Lehrkräfte in Deutschland uns vermehrt um die schwachen SchülerInnen kümmern sollen, das hat uns die OECD nach verschiedenen PISA-Durchläufen mehrfach ins Stammbuch geschrieben.
Wären die Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein auf einem falschen Weg, dann gäbe es einen Indikator, der sehr früh anschlägt: die Unzufriedenheit von Eltern.
Spätere Indikatoren für Fehlentwicklungen sind Ausbilder und Universitäten. Sie werden mittelfristig zu erkennen geben, ob mit den Gemeinschaftsschülern etwas anzufangen ist.
Wir dürfen das gespannt, aber auch entspannt abwarten.