Prof. Dr. Wolfram Cremer, Lehrstuhlinhaber am Lehrstuhl für öffentliches Recht und Europarecht, Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum
(Foto: Ruhr-Universität Bochum)
Professor Cremer hat 2016 ein Gutachten verfasst, in dem er die “verbindliche Übertrittsempfehlung” (ein Widerspruch in sich selbst) in Bayern unter die juristische Lupe genommen hat. Er kommt zu dem Schluss:
Diese verbindliche Übertrittsempfehlung ist verfassungswidrig und verstößt namentlich gegen die Elterngrundrechte der bayrischen Verfassung und des Grundgesetzes nach den Art. 126 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG sowie das allgemeine Diskriminierungsverbot nach Art. 118 Abs. 1 S. 1 BV und das Verbot der Diskriminierung nach der Herkunft gem. Art. 3 Abs. 3 S. 1 6. Alt. GG.
Die Begründungen lauten wie folgt (Zitate aus den unten aufgeführten Quellen):
1. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bayrischen Verfassungsgerichtshofes gewähren die Elterngrundrechte nach Art. 126 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG den Eltern das (prinzipielle) Recht selbst zu entscheiden, welche weiterführende Schule und insbesondere welchen Schultyp ihr Kind besucht.
2. Die demgegenüber in Bayern vorgenommene Einschränkung dieses Rechts unter Bezugnahme auf die in der Jahrgangsstufe 4 von den Schülerinnen und Schülern erzielten Noten in drei Fächern unter dem Etikett einer Auslese nach Leistung ist unter keinem Gesichtspunkt verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
a) Lernen in Angst. Zunächst einmal ist nicht nur naheliegend, sondern auch wissenschaftlich belegt, dass das bayrische Übergangsregime zu einem (prüfungsorientierten) „Lernen in Angst“ führt und negativen Einfluss auf die Persönlichkeitsentfaltung resp. -wicklung der Kinder, das Eltern-Kind-Verhältnis, aber auch das Lehrer-Eltern-Verhältnis und nicht zuletzt das Schüler-Lehrer-Verhältnis nimmt.
b) Strukturell defizitäre Leistungsdiagnostik/Notengebung. Des Weiteren belegt die Bildungsforschung seit Jahrzehnten, dass in (verbindliche) Schullaufbahnempfehlungen sowie die Notengebung als (ausschließliche) Grundlage einer (verbindlichen) Schullaufbahnempfehlung beim Übergang von der Primarstufe zur Sekundarstufe aus strukturellen Gründen nichtleistungsbezogene Faktoren einfließen.
c) Hohe Erfolgsquoten im Probeunterricht belegen defizitäre Leistungsdiagnostik. Schließlich belegen die hohen Erfolgsquoten im Probeunterricht in Bayern die geringe Validität der (gesamtnotenbasierten) Übergangsempfehlung.
Hier die Kurzfassung des Gutachtens zum Nachlesen: rechtsgutachten-uebertritt-k-5-57ce7eed6a66f
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