Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels im Anschluss an ein Gutachten ihrer Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) den Bundesländern empfohlen, stark auf eine Erhöhung der Mindestteilzeit der Lehrerinnen und Lehrer zu setzen. Dieses Denken erscheint im Licht der Praxis etwas naiv. Der neu gegründete “Bildungsrat von unten” hat dazu Gegenthesen und Fakten veröffentlicht.
Ein einfacher Regelkreis
Versucht man, die Argumente in ein einfaches Schema zu packen, so sieht man Wirkung und Gegenwirkung auf einen Blick.

Die KMK hat die Hoffnung, dass die blauen Pfeile eine gute Wirksamkeit entfalten. Der Bildungsrat von unten hat nachgerechnet, einen Blick auf die Lebensverhältnisse der Betroffenen geworfen und kommt zu dem Schluss, dass die roten Wirkungen das Ganze stark konterkarieren, so dass sich in der Nettobilanz die Hoffnungen der KMK im Winde zerstreuen könnten.
Die Gegenthesen des Bildungsrats von unten!
(1) Der Anspruch auf Teilzeit und die Inanspruchnahme von Teilzeitstellen ist kein Privileg der Lehrkräfte in Deutschland. Das Angebot von Teilzeitstellen ist Element zeitgemäßer Personalpolitik in der deutschen Gesellschaft und wurde in den letzten Jahren gezielt und stetig ausgebaut.
(2) Die Gründe für eine Teilzeittätigkeit liegen nach Auswertungen des Statistischen Bundesamts zu über 50% in der Betreuung von Familienangehörigen, sonstigen familiären Gründen, Krankheit/Unfallfolgen sowie Aus- und Weiterbildung begründet. Nur etwa ein Viertel der Teilzeitbeschäftigten gibt an, dass eine Vollzeittätigkeit grundsätzlich nicht gewünscht ist. Das Potential zum Wechsel von Teilzeit auf Vollzeit liegt deutlich unter 50% der Teilzeitbeschäftigten.
(3) Der erhöhte Teilzeitanteil bei Lehrkräften ist im wesentlichen auf den erhöhten Frauenanteil in dieser Beschäftigtengruppe zurückzuführen. Der Rechtsanspruch auf Teilzeit sowie die typischen (insb. familiären und persönlichen) Gründe gilt für die
Lehrkräfte wie für alle anderen Beschäftigten.
(4) Eine Einschränkung der Teilzeitmöglichkeiten bei Lehrkräften senkt die Attraktivität des Berufsfeldes im Wettbewerb mit anderen Berufen. Zudem unterminiert es das Vertrauen in den öffentlichen Arbeitgeber in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eine Einschränkung der Teilzeit wird kontraproduktive Nebenfolgen haben und die Zahl der vermeintlich gewonnen Stellen wieder zunichte machen.
(5) Zudem verkennen Maßnahmen zur Einschränkung der Teilzeit den bestehenden Zusammenhang von Gesamtarbeitszeit und Gesamtbelastung im schulischen Bereich. Im überkommenen Deputatsstundenmodell ist die Teilzeit das einzige Regulativ, um auf eine zeitliche Überforderung im Vollzeitjob zu reagieren. Viele Lehrkräfte befinden sich bereits an ihren Belastungsgrenzen. Statt einer Belastungserhöhung ist eine intelligente Entlastung notwendig, die zu mehr Zeit für Unterricht und unmittelbare pädagogische Tätigkeiten führt. Wir benötigen ein neues Arbeitszeitmodell und kein Drehen an der Vollzeitschraube.
(6) Der „Ertrag“ der Maßnahmen, die auf eine Einschränkung der Teilzeit ausgerichtet sind, ist erheblich geringer als von der SWK unterstellt. Zudem wird er von absehbaren Ausweichreaktionen der belasteten Lehrkräfte konterkariert. Darüber hinaus ist bei den Bestandslehrkräften mit einer anhaltend negativen Folgewirkung durch die demotivierende Verbotspolitik zu rechnen.
(7) Der Bildungsrat weist zudem darauf hin, dass das SWK-Gutachten und die kurzfristigen Notmaßnahmen der Länder von einer unkritischen Fortschreibung des status quo geprägt sind. Der Bildungsrat ist dagegen der Meinung, dass die Bildungskrise sowohl eine quantitative als auch eine qualitative Dimension hat und wir unser Bildungsverständnis und unsere Vorstellung von schulischer Bildung grundsätzlich hinterfragen und auf die Höhe der Zeit bringen müssen.
Das alles plus die Zusammenstellung der Fakten am besten hier selbst nachlesen!