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Fail #57: Stark befristet. Schwach bezahlt. Ohne Zukunft.

Zurückgewiesen und depressiv

Bild von pixabay

Meinen Beitrag „Lehrer büßen und beten“ kommentiert der Besucher S. Sch., der in Fail #56 – Danke für nichts, lieber Freistaat seine persönliche Geschichte mit der verfehlten Einstellungspolitik der bayerischen Staatsregierung beschrieb. Ich finde, dass nicht nur seine Erfahrungen, sondern auch seine Überlegungen einen weiteren Beitrag verdienen.

„Worauf dieser Beitrag allerdings nicht so genau eingeht bzw. eingehen kann, das sind die eigentlichen Gründe für den grassierenden Lehrermangel an Grund-, Mittel- sowie Förderschulen.

Ich glaube nämlich nicht, dass sich keine Aushilfslehrkräfte (immerhin wäre das „etwas“) finden ließen, sondern dass solche Leute gar nicht erst gesucht werden – und zwar aus rein finanzpolitischem Kalkül. Man vertröstet also die Herren Schulleiter immerzu damit, leider keinen Ersatz finden zu können, während Dutzende Bewerber zugleich arbeitslos bleiben.

„Wie kommt’s ? Kann das überhaupt sein?“, mag man fragen.

1. Keine Kosten entsprechen 100 % Ersparnis. Eine sehr einfache Gleichung. Das vorhandene, teure Personal muss den Ausfall eben kompensieren. Widerworte gibt es ja dank Beamtenstatus nicht. Ausgeglichene Länderhaushalte (Stichwort: schwarze Null) wurden schon lange zur Maxime erklärt (siehe Bayern). Also verschleißt man lieber das alte Vieh, bevor man neues anschafft.

In diesem Zusammenhang werden immer wieder von den Schulämtern die sog. Klassenteiler nach oben angepasst. An einigen Mittelschulen in Oberfranken gab es zum Schuljahr 2021/22 einen Klassenteiler von 34 Schülern (!). So versuchte man, das fehlende Personal durch Bildung (noch) größerer bzw. viel zu großer Klassen wider besseres Wissen auszugleichen. Auch passt man den Klassenteiler an, um den Anschein zu erwecken, dass doch alles passe und genügend Personal vorhanden sei.

2. Die in Aussicht gestellte Bezahlung für die Aushilfen i.V.m. vorprogrammierter Arbeitslosigkeit pünktlich zum Sommerferienstart tut ihr Übriges, um jeden halbwegs motivierten Bewerber endgültig abzuschrecken. Das miserable Salär (E10-11), welches ein voll ausgebildeter Gymnasiallehrer bei Übernahme einer Vollzeitstelle an der Mittelschule erhält, ist eine einzige Frechheit, v.a. wenn jener die gleiche Arbeit wie seine dort verbeamteten Mittelschulkollegen erledigen soll und dafür nur ca. die Hälfte des Nettogehaltes (A12) bekommt.

3. Man forscht seitens der zuständigen Bezirksregierungen und Schulämter viel zu spät nach potentiellen qualifizierten Arbeitnehmern. Selbst wenn das Schuljahr schon längst angelaufen ist, sich der Mangel an Lehrpersonal allmählich qualvoll manifestiert, tun die Verantwortlichen nichts oder viel zu wenig, um eine vernünftige Personalakquise durchzuführen („Headhunting“).

Generell fehlt es in der Regierung gänzlich an professionellen Headhunters. Stattdessen wird stümperhaft versucht, einst angestellte, dann vergraulte Lehrkräfte zurückzugewinnen. Ein aussichtsloses Unterfangen.

Doch selbst ein Profi könnte kaum einen Lehrer hinterm Ofen hervorlocken, wenn er schlichtweg keine Argumente (gute/gerechte Bezahlung, bezahlte Sommerferien, kontinuierliche Weiterbeschäftigung) liefern kann.

„Wo verbleiben all die potentiellen Aushilfslehrer, die keiner anstellt?“

– Sie hatten vorher eine Stelle als was-auch-immer und bekommen ein recht hohes ALG. Diese Zeit der Arbeitslosigkeit können sie nutzen, um sich beruflich komplett umzuorientieren.

– Sie arbeiten berufs- und branchenfremd. Manchmal werden sie dort sogar glücklich.

– Sie arbeiten in mehreren Berufen parallel, teils in prekären Verhältnissen, dafür oft ohne Befristung.

– Sie wandern ab ins (innerdeutsche) Ausland. Berlin lockte jahrelang mit hohen Gehältern Gymnasiallehrer in die dortigen Grundschulen.

– Eventuell kommen einige völlig abgebrannte Gestalten doch noch zum Halbjahr in den zweifelhaften Genuss, die „Resterampe“ (also die armen Schüler, die bisher niemand dauerhaft unterrichten konnte oder wollte, sondern die stets von Vertretung zu Vertretung weitergereicht wurden) übernehmen zu dürfen.

Stark befristet. Schwach bezahlt. Mit Ausfall der Sommerferien. Ohne Zukunft.

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