Sichtweisen #33: Digitalpakt – pacta sunt servanda?

Ein Statement vorneweg: Als Rektor einer staatlichen Grund- und Mittelschule hielte ich einen Personalpakt für wesentlich wichtiger als den Digitalpakt: Was nützt unseren Schulen eine super Ausstattung, wenn wir zu wenige Lehrer, Sozialpädagogen und Sozialarbeiter haben, um erst mal die Basis für einen guten Unterricht zu schaffen?

Ausgebremst auf der Zielgeraden

Aber nun zum Digitalpakt, der langwierig ausgehandelt und auf der Zielgeraden von einigen Bundesländern ausgebremst wurde. Da ich hier zuhause bin, interessiert mich vor allem die Argumentation meines bayerischen Ministerpräsidenten. Laut der Mittelbayerischen und dem Bayerischen Rundfunk kann man es so zusammenfassen:

  • „Wir haben erhebliche Bauchschmerzen. Denn es ist ein starker und tiefgreifender Eingriff in die föderale Struktur… „Die Schulpolitik gehört zur Kernkompetenz der Länder. Der Föderalismus darf nicht ausgehöhlt werden.“
  • „Zum einen könnte der Bund dann massiv Einfluss auf die Bildungspolitik nehmen. Im weitreichendsten Fall könnten die Inhalte der Schulpolitik sogar teilweise aus Berlin gesteuert werden.“
  • „Zum anderen hat der Bund sein Finanzierungsangebot deutlich verschlechtert und verlangt nun, dass die Länder zur Hälfte kofinanzieren. Das ist kein faires Angebot… Für uns ist das nicht zustimmungsfähig.“
  • „Der Bund will Rechte der Länder aushöhlen, und er fordert, dass die Länder auch noch dafür bezahlen. Da glaube ich, gibt es nicht nur bei Unions-Ländern sondern auch bei SPD-Ländern größte Zurückhaltung.“
  • „Man kann, wenn man das zu Ende denkt, glauben, dass am Ende sogar, wenn die Mehrheiten in Berlin einmal andere sind, sogar ein Gymnasium abgeschafft werden könnte, durch einen Beschluss, der aus Berlin kommt.“ 

Mit dieser Ablehnung hat Söder natürlich seine Kritiker auf den politischen Plan gerufen, die ihm vorwerfen,

  • dass die CSU noch eine Woche vorher im Bundestag dem Pakt zugestimmt hat und
  • dass – so zum Beispiel die Grünen – er das Papier möglicherweise gar nicht gelesen hat.

Ich habe diese Fassung des Digitalpakts gefunden und daraufhin durchgelesen, ob sich Söders Ablehnung vielleicht an bestimmten Formulierungen festmachen ließe. Da werde ich nicht fündig.

Bedrohung der Bildungshoheit der Länder?

Es wird an mehreren Stellen auf die Hoheit der Länder hingewiesen:

Die Länder finanzieren die von ihnen in dieser Vereinbarung zugesagten Maßnahmen in eigener Verantwortung und weisen dies im Rahmen ihrer Dokumentationspflicht jährlich detailliert nach. Hierzu gehören insbesondere die Umsetzung entsprechender pädagogischer Konzepte, die Gestaltung der Lehreraus- und -fortbildung und die Unterstützung der notwendigen Strategieentwicklung bei Schulen und Schulträgern. (Seite 3)

Grundlage der Förderung sind Bewertungs- und Begutachtungskriterien, die entsprechend den spezifischen Bedingungen von jedem Land entwickelt und gemeinsam mit dem Bund festgelegt werden. Die Bewertungs- und Begutachtungskriterien können im Verlauf des Programms von Bund und Land überprüft und einvernehmlich an neue Entwicklungen angepasst werden. (Seite 5)

Einzelformulierungen als trojanische Pferde?

In der Diskussion um den Digitalpakt wurde auch schon dieses Bild bemüht, und zwar pauschal von der Bayernpartei, die für ihre Kritik auf inhaltliche Anhaltspunkte verzichtet. Hier also für den, der daran interessiert ist, ein Blick auf die Details (Seite 4):

Die Länder bekräftigen den KMK-Beschluss vom 08.12.2016. Sie sagen im Besonderen zu, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten folgende Maßnahmen umzusetzen. Die Länder tragen dafür Sorge,
 dass alle Schülerinnen und Schüler, die zum Schuljahr 2018/2019 in die Grundschule eingeschult werden oder in die Sekundarstufe I eintreten, bis zum Ende ihrer Schulzeit die im KMK-Beschluss festgestellten Kompetenzen erwerben können;
 dass sie ihre Bildungs- und Lehrpläne aller Bildungsgänge, Schulstufen und Fächer im Sinne des KMK-Kompetenzrahmens für die Kompetenzen in der digitalen Welt überprüfen und weiter entwickeln;
 dass die KMK-Beschlüsse für die Lehrerbildung (Standards Bildungswissenschaften / Fachanforderungen) hinsichtlich der Kompetenzen in der digitalen Welt bis zum Ende der Programmlaufzeit überarbeitet bzw. ergänzt werden;
 dass die Qualifizierung des Lehrpersonals in der Form ausgebaut wird, dass die Qualifizierung der Lehrerschaft programmbegleitend und bedarfsgerecht sichergestellt ist. Generell gilt der Grundsatz „Keine Förderung ohne Qualifizierung“. Dazu können ggf. auch länderübergreifende Online-Selbstlernangebote zum Erwerb überfachlicher Kompetenzen bzw. von mediendidaktischen, fachbezogenen Kompetenzen für das Lernen in der digitalen Welt entwickelt und angeboten werden;
 dass der Ausbau der IT-Infrastruktur in Einrichtungen der Lehrerbildung (zweite und dritte Phase) sichergestellt wird;
 dass Betrieb und Wartung der Infrastrukturen durch die Antragsteller sichergestellt werden;

Im Sinne der Vollständigkeit seien hier noch weitere Vereinbarungen hinsichtlich der Lehrkräftefortbildung, der Qualitätssicherung, der Lizensierung und weiteren Zusammenarbeit zitiert (Seite 5).

Die Länder kooperieren darüber hinaus in geeigneter Weise und begleitend zur Laufzeit des DigitalPakts Schule in folgenden Fragen:
 Entwicklung und Bereitstellung geeigneter flächendeckender Fortbildungsformate (z. B. onlinebasierte Fortbildungsangebote);
 Entwicklung und Anwendung von Qualitätssicherungsprozessen für digitale Bildungsmedien (insb. OER);
 Entwicklung und Verbreitung von Lizenz- und Nutzungsmodellen bezüglich digitaler Medien mit dem Ziel, die Ausstattung mit digitalen Bildungsmedien zu ermöglichen und weiterzuentwickeln;
 Entwicklung und Implementierung von standardisierten Schnittstellen für
Lerninfrastrukturen mit dem Ziel der Veröffentlichung entsprechender Empfehlungen. Die Länder setzen sich dafür ein, durch eine geeignete Standardisierung von Schnittstellen auf Landesebene sicherzustellen, dass eine Interoperabilität länderübergreifender Lösungen ermöglicht und erleichtert wird.

Wer in diesen Formulierungen die Möglichkeit erkennt, dass sie dazu beitragen könnten, sogar das bayerische Gymnasium abzuschaffen, der – da muss ich den Grünen Recht geben – hat den Digitalpakt entweder nicht gelesen, oder er glaubt auch, dass der UN-Migrationspakt Bayern dazu zwingt, ausländische Straftäter aufzunehmen, dass die Schiffe der NGOs im Mittelmeer mit nordlibyschen Schleppern zusammenarbeiten und dass man Kreuze in bayerischen Amtsstuben aufhängen muss, um der abendländisch-christlichen Kultur gerecht zu werden. Der lebt also in seiner eigenen Welt, bzw. Blase.

Mit anderen Worten: Ich fürchte, die Ablehnung bewegt sich auf der Ebene des politischen Populismus, der einer bestimmten Wählergruppe nach dem Mund redet, so dass das schöne Wort des Übervaters Franz Josef Strauß nach hinten ausschlägt: „Vox populi, vox Rindvieh.“

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